04.08.2023 – Kategorie: Baustoffe
Zementfreier 3D-Druck und Modulbau: Tiny House setzt ökologische Maßstäbe
Der 3D-Druck verkörpert den Fortschritt am Bau. Doch der Mörtel für den 3D-Druck zeichnet sich oft noch durch einen hohen Zementanteil als Bindemittel aus und verursacht daher höhere CO2-Emissionen als herkömmlicher Mörtel. Nun entstand erstmals ein zementfreies Tiny House aus gedruckten Fertigteilen mit einem speziellen 3D-Trockenmörtel und Bindemittel aus Hüttensand und Flugasche.
- Im westfälischen Beckum entstand das erste 3D-gedruckte Modulbau-Gebäude, ein Tiny House, aus zementfreiem Beton.
- Das ungewöhnliche Projekt unterstreicht somit das Potenzial einer zukunftsträchtigen Fertigungsmethode.
- Seine besonderen Geometrien ließen sich zudem so nur mit 3D-Druck realisieren.
Der 3D-Druck steht für Fortschritt am Bau wie kaum ein anderes Verfahren. Er ermöglicht nicht nur die Umsetzung individueller Geometrien und Bauteile aus Beton, die mit konventioneller Schalungstechnik nicht möglich wären, sondern optimiert auch Fertigungsprozesse und beschleunigt den Digitalisierungsprozess in der Bauindustrie. Mit einem 3D-gedruckten Tiny House in Nordrhein-Westfalen konnte nun ein Projekt realisiert werden, das zusätzlich auf die Verwendung nachhaltiger Baustoffe beim Druck setzte. Gemeinsam schafften es die auf 3D-gedruckte Fertigteile spezialisierte Röser GmbH aus Laupheim, der internationale Entwickler und Hersteller bauchemischer Produkte MC-Bauchemie sowie das Planungsbüro Mense-Korte aus dem Münsterland, dieses Bauvorhaben in 18 Monaten umzusetzen.
Tiny House für Biker
Das Tiny House befindet sich auf dem Areal einer Beckumer Bikerbahn. Mit seinem großen Lagerraum samt überdachtem, offenem Eingangsbereich bietet das Minihaus den Kindern und Jugendlichen vor Ort genug Platz, um Werkzeuge und Gerätschaften der Sportanlage unterzubringen. Auch von außen kann das Tiny House überzeugen. Seine ellipsenförmige Fassade wölbt sich nach außen und verläuft direkt in die vertikale Struktur der inneren Schale — ein besonderes Design, das so nur im 3D-Druckverfahren möglich ist.
Fertigteile aus dem 3D-Drucker für das Tiny House
Bevor mit dem Druck des Minihauses begonnen werden konnte, wurde mithilfe einer Modellierungs-Software das Design entwickelt. Zudem hat man zahlreiche Materialversuche unternommen, um die richtige Zusammensetzung für die Anforderungen des Tiny House zu finden. Das fertige Konzept hat man dann im nächsten Schritt direkt in die sogenannte Slicer-Software des Druckers übertragen. Somit ließen sich dann am 3D-Druck Standort der Firma Röser in Laupheim die Einzelsegmente des Minihauses drucken.
in Beckum. Foto: Mense-Korte, Beckum
Auf einem geschlossenen Innenbordlader gelangten sie daraufhin über 500 Kilometer von Laupheim bis nach Beckum. Eine echte Herausforderung bei der speziellen Größe und Form der Betonbauteile.
„Auf den ersten Blick widerspricht der lange Transportweg der angestrebten CO2-Reduzierung, allerdings wollten wir gleich bei der Premiere die Fertigteile bewusst diesem Stresstest unterziehen“, so Dennis Bräunche, Technischer Außendienst bei Röser. Auf der Baustelle mussten die Fertigteile nur noch auf eine Betonfertigteilplatte gestellt und mit Ankern untereinander verbunden werden. So konnte bereits innerhalb weniger Stunden das Minihaus an seinen Besitzer übergeben werden.
Ankern untereinander verbinden. Foto: Mense-Korte, Beckum
Zementfreier 3D-Druckmörtel mit 70 % weniger CO₂-Emissionen
Die MC-Bauchemie forscht schon seit vielen Jahren in den Bereichen 3D-Druck und nachhaltige Lösungen für die Beton- und Bauindustrie – beste Voraussetzungen für das Projekt in Beckum. So war es das erklärte Ziel der Projektbeteiligten, ein Produkt zu entwickeln, das die statisch erforderlichen Eigenschaften sowie das für den 3D-Druck notwendige Verarbeitungsverhalten bietet und gleichzeitig die CO₂-Emissionen signifikant reduziert. Um den Anforderungen eines hochwertigen 3D-Druckes zu genügen, muss das eingesetzte Material ein thixotropes Verhalten aufweisen. Das heißt, solange dem Material Energie zugeführt wird, ist es verformbar und pumpbar. Ohne Energiezufuhr hingegen ist es standfest.
Zum Einsatz kam der spezielle 3D-Trockenmörtel MC-PowerPrint GeCO₂, der neben einer guten Pumpfähigkeit auch die nötige Thixotropie und Standfestigkeit aufweist. Somit ermöglicht er nach mehreren Drucklagen ohne Verformung durch das Eigengewicht ein schönes und gleichmäßiges Druckbild. Als Bindemittel kommt bei MC-PowerPrint GeCO₂, alternativ zum Zement, ein additiviertes System aus Hüttensand und Flugasche zur Anwendung. „Insgesamt können durch den Einsatz von alternativen Bindemitteln, die auf industriellen Nebenprodukten basieren, ca. 70 Prozent der CO₂-Emissionen im Vergleich zu zementösen Mörtelprodukten eingespart werden“, unterstreicht Kai Markiefka, Produktmanager bei MC, die deutliche Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks.
Modellierungs-Software das Design entwickelt. Fotos: Mense-Korte, Beckum
Zukunftsweisender Baustandard
Das Projekt in Beckum erwies sich als Erfolg, der nur durch die gute Zusammenarbeit und Innovationsbereitschaft aller Beteiligten realisiert werden konnte. „In Zukunft gilt es, weitere Potenziale des Gebäudedruckverfahrens zu erarbeiten, um das Drucken von Gebäuden als zukunftsweisenden und nachhaltigen Baustandard zu manifestieren“, erklärt Waldemar Korte vom Planungsbüro Mense-Korte, „so können wir bald immer größere Gebäudetypologien mit unterschiedlichsten Nutzungen umsetzen. Außerdem ist es entscheidend, Druckmörtel immer weiter zu optimieren und diversifizieren, um noch mehr Nachhaltigkeit im Bauprozess zu erreichen.“
Bild oben: Die Technik bei der Röser GmbH in Laupheim stammt von Technologieführern aus dem Betonbau – der 3D-Drucker ist eine Kooperation von Cobod und Peri. Foto: Röser IV GmbH, Laupheim
Weitere Informationen: https://www.mc-bauchemie.de/, https://mense-korte.de/, https://roeser-gmbh.de/
Erfahren Sie hier mehr über die Kombination von Schalungen mit Elementen aus dem 3D-Drucker.
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