15.09.2020 – Kategorie: Bauprojekte
Ungewöhnliche Konstruktion: Brückenträger für Ballsaal in München
Beim Bau des stützenlosen Ballsaals für das Mucon-Hotel in München haben die Projektbeteiligten bautechnisches Neuland betreten.
- Der Ballsaal des neuen Hotels an der Landsberger Straße in München wurde ohne zusätzliche Stützen konzipiert.
- Dafür nutzen die EuroAtlantic Gruppe als Bauherr und die ATP München Planungs GmbH mit Schäfer + Merkin Ingenieure GmbH als Planer gemeinsam mit dem Bauunternehmen Köster eine neue Technik.
- Bei der Deckenkonstruktion des Saals kommen Doppelverbundträger zum Einsatz, die üblicherweise im Brückenbau Verwendung finden.
- Die spektakuläre Montage dieser bis zu 74 Tonnen schweren Brückenträger fand im August 2020 unter Einsatz des leistungsfähigsten Teleskop-Raupenkrans der Welt statt.
Nach monatelanger und intensiver Planung und bereits erfolgter Teilrealisierung des neuen Hotels wurde Anfang August in München bautechnisches Neuland betreten: Am bis dato heißesten Wochenende des Jahres erfolgte die Montage des Liebherr-Teleskop-Raupenkrans LTR 11200 an der Landsberger Straße. Sechs Schwertransporte und zehn Standardtransporte hatten die Einzelteile in die Hauptstadt Bayerns transportiert. Der Kran ist ursprünglich für die Montage von Windkraftanlagen konzipiert und besitzt eine maximale Traglast von 1’200 Tonnen. Er wurde benötigt, um insgesamt acht Doppelverbundträger mit einem Gewicht von bis zu 74 Tonnen und einer Länge von 25 Metern von den Schwertransportern an ihre Montageposition zu heben. Diese Brückenträger kommen für die stützenlose Deckenkonstruktion des Ballsaals zum Einsatz.
Brückenträger vorsichtig und präzise in Position gebracht
Die Hitze beim Kranaufbau wich Nässe und Wind bei der teilweise nächtlichen Montage der Träger. „In der zweiten Nacht frischte der Wind so sehr auf, dass der Kran an sein Limit kam. Das war eine äußerst anspruchsvolle Herausforderung für das gesamte Team, das in erheblichem Maße partnerschaftlich und motiviert zusammengearbeitet hat“, berichtet Köster-Bauleiter Martin Förg. Mit äußerster Vorsicht nahmen die Monteure die schwebenden Kolosse entgegen und passten die Brückenträger präzise in ihre Position ein. Daniel Rau, stellvertretender Bereichsleiter des Köster-Geschäftsbereichs Hochbau München, ergänzt: „Wir sind sehr stolz darauf, diese technisch anspruchsvolle Aufgabe zu dem vereinbarten Termin erfolgreich ausgeführt zu haben.“
Es handelte sich um einen intensiv vorbereiteten Großeinsatz. „Die einzige Zufahrt zur Baustelle führt über die Straße, an der das DB-Betriebswerk München mit zahlreichen Mitarbeitenden liegt. Diese musste bei allen Arbeiten durchgängig als Feuerwehrzufahrt zugänglich bleiben“, skizziert Meike Kreiser, Projektleiterin bei Köster, eine der Herausforderungen bei der Baustellenlogistik. Das Baufeld an der Landsberger Straße ist von einer Hauptverkehrsstraße, Gewerbegebäuden und vor allem von Bahngleisen umgeben. Die Abspannung des Krans verlief in einer Höhe von 20 Metern, um die 12 Meter tiefer verlaufenden Oberleitungen zu schützen. Zudem wurde vor Aufstellung des Krans die Statik des benachbarten Bahntunnels geprüft. Bei der Aufnahme des Auslegers musste jeder Quadratmeter unter den massiven Stützen des Teleskop-Raupenkrans immerhin einer Stützlast von etwa 250 Tonnen standhalten. „Das ganze Vorhaben war Millimeterarbeit mit schwerem Gerät. Die Experten haben ganze Arbeit geleistet und wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, resümiert Wolfgang Schönwälder, Projektleiter des Bauherrn.
„Auf der Brücke noch ein siebenstöckiges Hotel“
Nach seiner Fertigstellung wird das Hotel auf insgesamt acht Etagen Hotelkomfort der Kategorie 4-Sterne+ bieten. Ein Highlight des Gebäudes wird der große Konferenz- und Ballsaal sein, in dem neben Tagungen und Konferenzen auch Unternehmensveranstaltungen, große Präsentationen und Bühnenprogramme stattfinden sollen. Da weder den Gästen noch den Veranstaltern oder den Kunstschaffenden trotz der 24,5 x 37,5 Meter großen und 6 Meter hohen Saaldecke Säulen im Wege stehen sollen, wird diese schwebend gebaut. Um die tonnenschwere Last der darüber liegenden sieben Stockwerke zu tragen, haben sich die Planer und Ingenieure für die Brückenträger entschieden, eine in Deutschland bislang einmalige Konstruktion. Hierbei handelt es sich um sogenannte Preflex-Träger. „Schon seit vielen Jahren stellen wir den Preflex-Träger für den Brückenbau her und wissen aufgrund unserer Erfahrung natürlich um die Leistungsfähigkeit und Vorteile dieses Doppelverbundträgers. Trotzdem ist es auch für uns etwas Besonderes, das Produkt jetzt einmal in einem völlig anderen Kontext zu erleben“, so Michael Steeger, Geschäftsführer der Herstellerfirma C + P Brückenbau GmbH & Co. KG. „Meike Kreiser fasst zusammen: „Wir errichten hier quasi auf der Brücke noch ein siebenstöckiges Hotel.“
Bautafel:
- Objekt: Mucon, Hotelgebäude im Münchener Gemeindeteil Friedenheim
- Bauherr: EuroAtlantic Gruppe
- Achitekten/Planer: ATP München Planungs GmbH mit Schäfer + Merkin Ingenieure GmbH
- Bauzeit: 2019 bis 2021
Bild oben: Die zweitägige Anlieferung und Montage des Teleskop-Raupenkrans erforderte sorgsame Planung und exakte Ausführung angesichts der innerstädtischen Lage in direkter Nachbarschaft zum Gleisnetz der Deutschen Bahn. Bildquelle: Köster GmbH
Der Videofilm dokumentiert den Aufbau des Teleskop-Raupenkrans und das Setzen der Doppelverbundträger in der vergleichsweise beengten, innerstädtischen Lage Münchens: https://youtu.be/ePQ5MkELzLE
Weitere Informationen: https://www.koester-bau.de/
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