29.06.2020 – Kategorie:
Streitlösungsordnung am Bau: Was die außergerichtliche Einigung bringt
Die aktualisierte „Streitlösungsordnung für das Bauwesen SL Bau“ tritt am 1. Juli 2020 in Kraft. Sie stellt unterschiedliche Streitlösungsverfahren vor, die schon in der Planungs- und Bauphase greifen.
Warum eine außergerichtliche Streitbeilegung? Was sind die Vorteile? Streiten sich die Beteiligten an einer Baumaßnahme über diese, wird der Weg zu einem staatlichen Gericht meist erst nach deren Fertigstellung beschritten. Dann haben sich regelmäßig zahlreiche, zum Teil hunderte Streitpunkte angehäuft. Viele der Verantwortlichen wurden zwischenzeitlich mit neuen Aufgaben betraut oder sind für die Vertragsparteien nicht mehr tätig. Bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Streitsache entstehen daher hohe Friktionskosten auf Seiten der Streitbeteiligten. Die „Streitlösungsordnung für das Bauwesen SL Bau“ gibt durch ihre unterschiedlichen Streitlösungsverfahren schon während der Planungs- und Bauphase die Möglichkeit, den Streit zügig zu beenden und hilft somit, eine Eskalationsspirale zu vermeiden.
Streitigkeiten können dadurch schnell und kostengünstig durch kompetente, aus den Bereichen Technik und Recht stammende Streitlöser geregelt werden. Unterschiedliche, für die Bedürfnisse der Baubeteiligten maßgeschneiderte Streitlösungsverfahren bieten den Parteien mittels der SL Bau die Möglichkeit, – trotz der Uneinigkeit zu Einzelfragen – weiter zu planen und zu bauen und währenddessen mit Hilfe eines Streitlösers gleichzeitig eine Einigung über ihre Streitpunkte zu finden.
Streitlösungsverfahren der SL Bau sind:
- Die Mediation hat zum Ziel, Konflikte am Bau zu verhindern und die Parteien bei deren eigenverantwortlicher und einvernehmlicher Lösung durch einen Mediator zu unterstützen.
- Die Schlichtung fördert kooperative Verhaltensweisen der Parteien, indem sie auf eine einvernehmliche Lösung von Streitfragen hinwirkt und zu einem Schlichterspruch führen kann, dessen Wirksamkeit allerdings der Akzeptanz der Parteien bedarf.
- Die Adjudikation dient während der Planungs- und Bauphase der raschen, die Parteien vorläufig bindenden Entscheidung von Streitigkeiten. Diese Entscheidung kann bei Bedarf später durch ein Schiedsgericht oder ein staatliches Gericht überprüft werden.
- Das Schiedsgericht entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges verbindlich über Streitigkeiten. Hierbei ist die Einbeziehung Dritter möglich.
- Das Schiedsgutachtenverfahren eröffnet den Parteien die Möglichkeit von Beurteilungen vor allem technischer aber auch rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Fragestellungen hinsichtlich einzelner (Teil-) Streitigkeiten außerhalb des gerichtlichen Verfahrens. Damit können die Parteien gemeinsam – auch für den Fall eines späteren Gerichtsverfahrens – bestimmte Feststellungen verbindlich treffen lassen.
Die Streitlösungsverfahren sind selektiv, aber auch kumulativ anwendbar.
Neubearbeitung der Streitlösungsordnung durch Permanente Kommission
Zum 1. Januar 2010 haben die Deutsche Gesellschaft für Baurecht e.V. (DGfB) und der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein E.V. (DBV) die neu erarbeitete „Streitlösungsordnung für das Bauwesen SL Bau“ herausgegeben. Nach Neufassungen in den Jahren 2013 und 2016 wurde im Sommer 2019 eine Befragung der interessierten Kreise zur SL Bau und am 5. November 2019 ein Workshop durchgeführt. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse bildeten unter anderem die Grundlage der Neubearbeitung der SL Bau durch die von DBV und DGfB gebildete Permanente Kommission.
Die Permanente Kommission zur Bearbeitung der SL Bau setzt sich aus hochrangigen fachkompetenten Vertretern der Richterschaft und der Anwaltschaft zusammen. Ziel der Permanenten Kommission war es, auf der Grundlage vielfältiger, praktischer Erfahrungen ihrer Mitglieder und der Anregungen aus der Praxis, eine SL Bau zu schaffen, die die wünschenswerte Kooperationsbereitschaft beim Bauen und das Miteinander der Parteien noch stärker fördert. Entsprechende Mustervereinbarungen und Musterverträge zwischen den Streitbeteiligten und dem Streitlöser, wurden ebenfalls entworfen.
Außergerichtliche Streitbeilegung frühzeitig vereinbaren
Wichtig ist weiterhin die Empfehlung, schon beim Abschluss des Bauvertrages, respektive eines Planungsvertrages, eine außergerichtliche Streitbeilegung zu vereinbaren und nach Möglichkeit einen Streitlöser bereits frühzeitig zu benennen.
DBV und DGfB unterhalten zudem seit langem eine Gemeinsame Aufnahmekommission, die eine Streitlöserliste herausgibt. Ziel ist es, der Praxis zu den einzelnen Streitlösungsverfahren eine Auswahl von renommierten Streitlösern an die Hand zu geben. Zu den fachlichen Voraussetzungen, die ein Streitlöser nachweisen muss, gehört auch der Besuch einer Online-Fortbildungsveranstaltung: „Streitlösung ohne Gericht – Die SL Bau hilft!“
Die nächste Veranstaltung findet am Montag, den 14. September 2020 statt.
Die SL Bau und die Mustervereinbarungen sind im Internet kostenfrei abrufbar unter www.dg-baurecht.de oder www.betonverein.de.
Erfahren Sie hier mehr über die Vorteile der Adjudikation in Bauprojekten.
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