17.05.2023 – Kategorie: Bauprojekte
SCIA Engineer: Was die Software alles möglich macht
Seit 1875 schmückt das Palais Garnier eindrucksvoll das Stadtbild von Paris. Der Bau des berühmten Opernhauses wurde 1861 von Napoleon in Auftrag gegeben und von Charles Garnier entworfen. Knapp 150 Jahre später hat das französische Ingenieurbüro Duberseuil & Cie im Auftrag der Oper eine Diagnose des Bühnenkäfigs mit Hilfe von SCIA Engineer durchgeführt, um die möglichen Betriebsbelastungen zu ermitteln.
SCIA Engineer im Einsatz: Mit Paris bringen die meisten wohl den Eiffelturm oder Notre-Dame in Verbindung. Dabei repräsentiert l‘Opéra Garnier, auch als Palais Garnier bekannt, im Herzen der Stadt die französische Baukunst wie kaum ein anderes Bauwerk. Heute beherbergt das architektonische Juwel die Nationaloper der Seine-Metropole. Das von Architekt Charles Garnier entworfene Bauwerk wird derzeit in erster Linie für Ballettaufführungen des hauseigenen Ballet de l’Opéra de Paris genutzt. Aus technischer Sicht beeindruckt insbesondere der Bühnenbereich, der im Fachjargon auch als Bühnenkäfig bezeichnet wird. Er misst 70 Meter in der Höhe, 53 Meter in der Breite und 26 Meter in der Tiefe und ist damit größer als der berühmte Arc de Triomphe.
Neue Bühne, alte Nutzlast?
Für eine neue Aufführung plante die Opéra Garnier, eine Bühne zu installieren, die erheblich schwerer war als jene, die bisher eingesetzt wurde. Dabei kamen Zweifel hinsichtlich der Stabilität auf. Einst war für den Bühnenkäfig eine Nutzlast von 250 kg/m² vorgesehen. Doch würde der in die Jahre gekommene Stahlrahmen eine solch hohe Nutzlast weiterhin tragen können? Frédéric Crozat, verantwortlich für die Sicherheit der Konstruktionen der Opéra Garnier, beauftragte daraufhin das französische Ingenieurbüro Duberseuil & Cie, eine Tragwerksdiagnostik des Bühnenkäfigs durchzuführen. Die Ingenieure sollten die möglichen Betriebsbelastungen realitätsgetreu ermitteln und eine Bewertung des stählernen Bühnengerüsts unter Berücksichtigung der neuen ständigen Lasten abgeben.
Ungeahnte Ausmaße
Schnell wurde Aurélien Duberseuil, Inhaber des Büros, das sein Vater 1969 gründete, klar, dass das Vorhaben ungeahnte Ausmaße annehmen würde. Denn als der Tragwerksplaner beginnen wollte, die Nachweise für Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit zu führen, musste er überrascht feststellen, dass vom fast 150 Jahre alten Gebäude kein digitales 3D-Modell existierte.
Um die auf das Tragwerk wirkenden Lasten korrekt ansetzen und mit den Berechnungen starten zu können, musste man den gigantischen Bühnenkäfig also zunächst vom Keller bis zum Dach vermessen und mit einer CAD-Software zeichnen. Das Ingenieurteam begann also damit, die Archive des Opernhauses zu durchforsten und historische Pläne des Bauwerks digital einzuarbeiten. Mit einem FARO-Scanner erfasste Duberseuil außerdem die gesamte Struktur des Bühnenkäfigs. Etwa 850 Scans waren notwendig, um mit Hilfe der entstandenen Punktwolke detailgetreue Abmessungen und Querschnitte zu ermitteln. „Die Herausforderung bestand darin, eine ganze Reihe von Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, welche Lasten wie und wo anzusetzen sind. Wir mussten verschiedene Abteilungen innerhalb des Opernhauses aufsuchen und viele Gespräche führen, um an wichtige Informationen zu kommen“, berichtet Duberseuil.
Bilder: Duberseuil & Cie
Modelierung mit SCIA Engineer
Das Modell des Bühnenkäfigs, das im Zeichenprogramm erstellt worden war, setzte sich aus etwa 2.000 Einzelteilen zusammen. Neben ein paar wenigen Bauteilen aus Gusseisen wurden vor allem Stahl, der der Sorte S235 ähnelt, verbaut – insgesamt etwa 1.900 Tonnen.
Um seinem eigentlichen Auftrag nachzugehen, erzeugte Duberseuil vom CAD-Modell DWG- und IFC-Dateien und übergab diese an die Modellierungs- und Berechnungssoftware SCIA Engineer. „Bei der Modellierung hat mir die Möglichkeit, DWG-Dateien reibungslos in SCIA Engineer zu importieren, enorm geholfen. Hilfreich war auch die freie Verwaltung von Ebenen, die man je nach Bedarf aktivieren und deaktivieren kann“, so Duberseuil. Insgesamt modellierten die Tragwerksplaner 97 verschiedene Querschnitte ohne Probleme neu und führten die Nachweise gemäß der aktuellen Eurocodes. „Ich arbeite gerne mit SCIA, weil die Software die aktuellen Vorschriften für Stahlkonstruktionen umfassend berücksichtigt. Außerdem werden getätigte Änderungen automatisch in der statischen Ausgabe übernommen. So lässt sich schnell ein komplettes Ausgabedokument mit allen erforderlichen Bildern erstellen“, sagt Duberseuil.
SCIA Engineer versetzte ihn letztlich in die Lage, seinen Auftrag zu erfüllen. Er stellte fest, dass der Bühnenkäfig nach wie vor eine Nutzlast von 250 kg/m² tragen kann und eine Verstärkung des Stahlrahmens somit nicht erforderlich war, solange die ermittelte Nutzlast nicht überschritten wurde.
Von Tim Kullmann.
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