24.01.2023 – Kategorie: Baustoffe
Schmutzabweisend: Fassaden und Solarmodule mit Ultradünnglas nachrüsten
Photoinduzierte Hydrophilie mit kristallinem Titanoxid: Ultradünnes Glas lässt sich nachträglich an Fassaden aufbringen oder direkt als Verbundwerkstoff in Solarmodule einarbeiten. Auf der BAU 2023 können Besucher einen Blick auf erste Ergebnisse des Projekts NewSkin werfen.
- Schmutz vermindert den Ertrag der Solarmodule. Die Reinigung von Glasfassaden und Solaranlagen ist jedoch teuer und aufwändig. Gründe genug, um an Oberflächen zu forschen, die diesen Aufwand minimieren.
- Am Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP gelang es nun innerhalb des von der Europäischen Union geförderten Projektes NewSkin (GA: 862100), kristallines Titanoxid im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ultradünnes Glas aufzubringen.
- Somit lassen sich hydrophobe Oberflächen verwirklichen, die unter UV-Licht sogar superhydrophil werden.
- Auf der BAU 2023, vom 17. – 22. April 2023, in München, können Besucher einen Blick auf erste Ergebnisse des Projekts am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand, Nr. C2-528 werfen.
Im Jahr 2021 deckte die Photovoltaik mit einer Stromerzeugung von 50 TWh 8,9 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland [1]. Dies gilt es noch im Sinne einer nachhaltigen Energiewende zu steigern. Schmutzabweisende, leicht zu reinigende Oberflächen sorgen für Transparenz und Sauberkeit bei Fassaden und für eine effizientere und gleichmäßigere Energiegewinnung bei der Solarstromgewinnung, bei geringeren Wartungskosten. „Wir setzen hier auf die photoinduzierte Hydrophilie auf Oberflächen.“, erläutert Diplomand Valentin Heiser vom Fraunhofer FEP. „Um diesen Effekt aufzuskalieren, bringen wir erstmals kristallines Titanoxid im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ultradünnes Glas auf. Dies ist sehr effizient und das ultradünne und leichte Glas kann nachträglich auf Fassaden aufgebracht oder direkt als Verbundwerkstoff in die Solarmodule eingearbeitet werden – sogar auf gebogene Oberflächen.“
Titandioxid verändert durch UV-Einstrahlung (das heißt eine Aktivierung beispielsweise durch Sonnenlicht) seine Hydrophilie, seine wasserabweisende Eigenschaft. Unbestrahlt ist es hydrophob, also Tröpfchen bildend. Nach einer Bestrahlung ist es superhydrophil, also vollständig benetzend. Bei photoinduzierter Hydrophilie wechselt die Oberfläche nach ca. 30 Minuten Bestrahlung mit sonnenähnlichem UV-Licht von hydrophob zu superhydrophil.
Glasfassaden und Solarmodule: So bleibt der Schmutz nicht haften
Auf Oberflächen mit einer solchen Titandioxid-Beschichtung kann sich durch diesen Effekt kein oder nur sehr wenig Schmutz ablagern. Kommt beispielsweise Verkehrsstaub, Sand oder sonstiger Schmutz auf Glasfassaden oder Solarmodule, wird dieser durch die nächtliche Hydrophobie der Oberfläche über abperlende Regentropfen abgewaschen. Darüber hinaus bleibt der Schmutz besonders durch den zyklischen Wechsel von hydrophob und superhydrophil auch tagsüber nicht an der Oberfläche haften.
Mit UV-Licht aktiviertes Titanoxid zersetzt durch Photokatalyse außerdem organische Moleküle an der Oberfläche. Somit entstehen antibakterielle und sterile Oberflächen, die besonders in der Medizintechnik oder in Verbindung mit flexiblen Displays von Interesse sind.
Die Forschenden am Fraunhofer FEP haben nun erste Beschichtungen entwickelt. Konkret wurde eine 30 cm breite und 20 m lange Rolle Dünnglas, mit einer Glasdicke von 100 Mikrometern in einer Rolle-zu-Rolle-Anlage mit 30 – 150 Nanometern Titanoxid beschichtet. Diese Pilotanlage für Rolle-zu-Rolle-Beschichtungen von Dünnglas (FOSA LabX 330 Glass der Firma Von Ardenne) steht am Fraunhofer FEP.
Handling und Fertigung sind herausfordernd
Herausfordernd für das Projekt ist zum einen, dass Dünnglas ein sehr neues Substrat mit großen Anforderungen ans Handling ist, da es sehr leicht bricht und empfindlich auf thermische und mechanische Belastungen reagiert. Zum anderen erreicht Titandioxid seine besonderen Eigenschaften der Hydrophobie und -philie nur, wenn es kristallin ist. Dafür benötigt es hohe Temperaturen während der Herstellung. Sputter-Beschichtungen mit diesen Anforderungen waren bisher in Rolle-zu-Rolle-Technologie nicht umsetzbar, da gängige Substrate, wie zum Beispiel Folien, den hohen Temperaturen nicht standhalten konnten. Dünnglas bietet hier eine Alternative.
Mit diesen Ergebnissen durch das NewSkin-Projekt arbeiten die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP nun daran, die Eigenschaften von Titandioxid und Dünnglas optimal und kosteneffizient zu vereinen. Gemeinsam mit der Industrie will man neuartige Produkte auf den Markt zu bringen. Die ersten gelungenen Beschichtungen auf Ultradünnglas legten dafür den Grundstein. Forscher des Newskin-Partners Universität Uppsala arbeiten daran, die Ergebnisse auch auf Polymerfolien zu übertragen.
Schichtsysteme zukünftig auch mit sichtbarem Licht aktivierbar
Künftig wird das Fraunhofer FEP auch an Schichtsystemen arbeiten, die nicht nur mit UV-Licht, sondern auch mit sichtbarem Licht aktiviert werden können. Auch die Herstellung und Einbettung von Nanopartikeln oder das Dotieren mit zum Beispiel Stickstoff sind angedacht.
Das NewSkin Open Innovation Test Bed (OITB) bietet einzigartige Prototyping-, Upscaling- und Testeinrichtungen im Pilotmaßstab sowie Dienstleistungen für die Markteinführung, die allen zur Verfügung stehen, um die Kommerzialisierung innovativer Materialien und Technologien für Nanooberflächen und Membranen in ganz Europa zu beschleunigen. NewSkin ist eines von mehreren EU-finanzierten OITBs und bietet Forschungslabors, KMUs und der Industrie freien Zugang zu zehn hochmodernen Upscaling- und neun Testeinrichtungen. Die daraus resultierenden verbesserten Oberflächen und Membranen bieten fortschrittliche Funktionalitäten.
Das Fraunhofer FEP ist auf der BAU 2023 in München vom 17. – 22. April 2023 am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand Nr. C2-528 vertreten.
Bild oben: Beschichtung mit Titandioxid a) Ausgangszustand (hydrophob, Wassertropfen-Kontaktwinkel ca. 95°) b) nach 30-minütiger Bestrahlung mit UV-Licht (superhydrophil, Kontaktwinkel <5°). Bildquelle: Fraunhofer FEP
Weitere Informationen: https://www.newskin-oitb.eu/
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