15.12.2022 – Kategorie: Bauphysik

Nachtauskühlung in der Simulation: Das sind die Ergebnisse

Die beiden zur InnoVision-Gruppe gehörenden Unternehmen PlanTeam Schwarz und GreenSpleen haben die so genannte Nachtauskühlung an einem bestehenden Bürogebäude in der Berliner Friedrichstraße simuliert. Automatisch gesteuerte Fenster leiten dabei die durch Sonneneinstrahlung und interne Quellen entstandene Wärme während der Nacht nach außen und kühle, frische Luft nach innen.

Nachtauskühlung: Seit Mai dieses Jahres werden in Europa Spitzentemperaturen erreicht. Auch in Deutschland, wo eigentlich eher moderate Sommer­temperaturen vorherrschen. Im Gegensatz zu vielen tropischen oder subtropischen Ländern haben hier deshalb auch nicht alle Gebäude eine Klimaanlage.

Wenn der Nachbar wärmt

Eine alternative Möglichkeit bietet sich im gesteuerten Nachtauskühlungskonzept, das zu einer natürlichen Gebäudeklimatisierung beitragen kann. Die Umweltingenieure von PlanTeam Schwarz und GreenSpleen, Gesellschaft zur Entwicklung und Anwendung von Energiekonzepten, haben dazu über ein Jahr Simulationen an real existierenden Gebäuden (in der Berliner Friedrichstraße durchgeführt. Mit einbezogen war auch die Nachbarbebauung, um die gebäudetechnischen Parameter unter Berücksichtigung der Bestandssituation sowie der Auswirkung der Nachtauskühlung auf angrenzende Etagen zu evaluieren.

Simulationsparameter

Um die Auswirkungen auf die Speicherfähigkeit des Gebäudes (Baujahr 1997) festzustellen, wurde die Tragkonstruktion im Stahlskelettbau in der Simulation entsprechend berücksichtigt. Zudem wurden die real verbauten Fenster inklusive der dazugehörigen U-Werte in die Simulation übertragen. So entsprechen die Parameter einem Bestandsgebäude ohne zusätzliche Maßnahmen zeitgemäßer Dämmung, jedoch mit Optimierung der elektrischen Steuerung zum Öffnen und Schließen der Fenster in den oberen drei Etagen. Bei jeder Etage handelt es sich um rund 600 qm Gewerbefläche mit Büronutzung. Das Gebäude verfügt über acht oberirdische Geschosse.

Die Parameter der Simulationssoftware TAS (Thermal Analysis Simulation) beziehen sich auf die oben genannten Gebäudeparameter sowie die Wetterdaten der TRY (Testreferenzjahre) – Wetterdateien vom Deutschen Wetterdienst für den Zeitraum von 2030 bis 2060. Das sind Ergebnisse einer Simulation des Deutschen Wetterdiensts, die die prognostizierten Wetterveränderungen bereits beinhalten.

Die nächtliche Auskühlung beschreibt ein elektrisches Öffnen der Fenster an der Südseite des Gebäudes um 21 Uhr und das Schließen der Fenster um 6 Uhr morgens. Lediglich die Fenster in den oberen drei Geschossen hat man für die Funktion der Nachtauskühlung verwendet, alle übrigen blieben geschlossen.

In der Simulation wollte man die maximale Temperatur im fünften Obergeschoss am 5. Mai in einer Variante ohne nächtliche Auskühlung der Version mit Nachtauskühlung gegenüberstellen. Dabei galt zwei Parametern besonderer Augenmerk: die Wirksamkeit der Nachtauskühlung bei einem Bestandsgebäude mit den baujahrtypischen Parametern für die Geschosse, in denen die Nachtauskühlung aktiviert wird sowie die Wirksamkeit der Nachtauskühlung bei einem Bestandsgebäude für benachbarte Räume und Etagen.

Nachtauskühlung Friedrichstraße

Gebäude heizen sich über den Tag hinweg auf. Je höher die Sonneneinstrahlung und je heißer die Außentemperaturen, desto mehr kumuliert diese Wärme mit den internen Lasten wie Personen, Elektrogeräten (etwa Drucker, Server, Computer oder auch Waschmaschine, Backofen, Bügeleisen usw.).

Wärme und Kälte können sich je nach Baustoff und Materialität im Gebäude oder dessen Außenbereich speichern und diese Wärme wieder abgeben. Im schlechtesten Fall wärmt sich ein Gebäude über den Tag hinweg auf, der Baustoff wird aktiviert. Im Außenbereich heizen sich darüber hinaus der Asphalt und der gepflasterte Innenhof auf. Beides gibt im Zeitfenster mit einer kühleren, abendlichen und nächtlichen Außenluft seine Wärme ab.

Im hiesigen Simulationsbeispiel kam zu der Tragkonstruktion in Stahlskelettbau ein gepflasterter Innenhof, der im Vergleich zu Grünflächen deutlich mehr Hitze speichert und auch abgibt. Die abgegebene Wärme im Innenraum heizt diesen nun als innere Last auf. Ist zu diesem Zeitpunkt dann noch kein Fenster geöffnet, bleibt die Wärme im Innenraum. Der Außenbereich strahlt ebenfalls die gespeicherte Wärme ab und beheizt trotz nun fehlender Sonneneinstrahlung weiterhin die Umgebung.

Hier setzt die Nachtauskühlung an: Im besten Fall heizt sich das Gebäude tagsüber auf und nutzt die nächtliche kühlere Außenluft zur Temperaturregulierung. Die maximale Temperatur ohne Nachtauskühlung betrug in den exponiertesten oberen Büros am 5. Mai bereits 32,2 Grad Celsius. Mit Nachtauskühlung hingegen wurden in den besonders aufgeheizten Etagen und im gesamten Bürogebäude maximale Temperaturen von 27,9 Grad Celsius erzielt. Das ist eine Differenz von 4,3 Grad.

Halten sich die Temperaturen in den am meisten von der Hitze betroffenen Gebäudeteilen ohne Nachtauskühlung auch um fünf Uhr morgens noch bei knapp 29 Grad, sieht es mit Nachtauskühlung deutlich besser aus: In den drei oberen Etagen mit Nachtauskühlung fallen die Temperaturen sogar unter 20 Grad, was einen Unterschied von acht Grad ausmacht.

Die Nachtauskühlung hat auch einen Einfluss auf angrenzende Gebäudeetagen, die selbst nicht Bestandteil der Nachtauskühlung sind. Das kann sich noch in bis zu zwei darunter liegende Etagen auswirken. Hier kam es für die darunter liegende Etage zu Differenzen in den Tageshöchstwerten von 2,12 Grad (im Mittelwert über den Tag gab es eine Differenz von 1,92 Grad zwischen den beiden Szenarien). In den zwei darunter liegenden Etagen kam es zu Tageshöchstwertdifferenzen von 0,82 Grad (im Mittelwert über den Tag eine Differenz von 0,73 Grad zwischen den beiden Szenarien in Vergleich zum ungekühlten Fall der oberen Etagen).

Methoden der Nachtauskühlung

Damit sich ein Gebäude im Sommer langsamer aufheizt, sind elektrisch zu öffnende Fenster eine gute Wahl für die Nachtauskühlung. Die kältere Temperatur wird dabei im Baumaterial des Gebäudes gespeichert und lässt sich tagsüber wieder abgeben.

Temperaturverlauf innerhalb von 24 Stunden, mit und ohne Nachtauskühlung. Bild: InnoVision

Liegen ein Gebäude oder die nachts zu kühlenden Räume relativ tief, gelangt die kalte Luft nicht bis in den gesamten Raum. Hier können Rohrventilatoren entgegensteuern, die die kühlere Außenluft in den Raum befördern, um so auch entlegenere Raumteile zu erreichen und zu kühlen.

Kurve Temperaturverlauf innerhalb eines Jahres: mit und ohne Nachtauskühlung. Bild: InnoVision

Mithilfe thermischer Simulationen wurden auch die Unterschiede zwischen Gebäudeteilen mit und ohne Nachtauskühlung untersucht. Zudem die Verschattung der Nachbargebäude sowie ihre Ausrichtung simuliert: weniger versiegelte Außenbereiche und viel Begrünung würden hier weniger thermische Energie speichern, was sich positiv auf den CO2-Gehalt der einströmenden Luft auswirkte. Auch die Verschattung der Fenster tagsüber und die Materialien der Gebäudehülle und Innenwände sowie eine offene Raumgestaltung begünstigen die Methode der Nachtauskühlung zusätzlich.

Von Melanie Müller und Steven Wiens.

Lesen Sie auch: Sandwichpaneel: Kühlhäuser effizient isolieren


Teilen Sie die Meldung „Nachtauskühlung in der Simulation: Das sind die Ergebnisse“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top