18.07.2022 – Kategorie: Recht

Konflikte am Bau: Was kann Mediation im Bauwesen bewirken?

Mediation: Methode zur Konfliktbeilegung am BauQuelle: Lars Stühlen

Auf dem Bau kommen Menschen zusammen und wo Menschen zusammenkommen, wird gestritten. Während man sich im Privaten im Falle eines Streites aus dem Weg gehen kann, ist man bei Bauprojekten auf die Zusammenarbeit angewiesen. Trotzdem eskalieren immer wieder Streitigkeiten oder landen sogar vor Gericht. Dadurch verzögert sich nicht nur die Fertigstellung, sondern es kostet zusätzliches Geld und Nerven. Häufig kann hier eine Mediation schnell und kostengünstig helfen. Mit Unterstützung eines Mediators und unter Beteiligung aller Parteien wird der Konflikt im Rahmen eines strukturierten Verfahrens gelöst. Von Lars Stühlen

„Dann streiten wir halt.“ Diesen Satz hat wohl jeder schon mal gehört, der im Baubereich tätig ist. Durch die Androhung, vor Gericht zu gehen, versucht man Stärke zu zeigen. Zugleich macht man der Gegenseite deutlich, dass ein fehlendes Entgegenkommen mit einem hohen Aufwand einhergeht. Geht man diesen Weg, verlieren in der Regel alle Parteien. Im besten Fall ist die Beziehung beschädigt, im schlimmsten Fall führt es zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten, worunter auch der Baufortschritt leidet.

Durch die Mediation bleibt die Eigenverantwortung bestehen

Laut Roland Rechtsreport 2022 sind 56 Prozent der Deutschen von der Wirksamkeit außergerichtlicher Streitbeilegungen überzeugt. Trotzdem ist die Mediation häufig nicht das Mittel der ersten Wahl, wenn es zu Konflikten am Bau kommt. Dies liegt häufig im fehlenden Verständnis für das Verfahren begründet.

Die Akzeptanz nimmt schnell zu, wenn man einmal persönliche Erfahrungen mit Mediation gemacht hat. Zuvor besteht oft Zurückhaltung, da man nicht sicher ist, ob sich das Verfahren für das eigene Problem empfiehlt. Dabei gilt die Faustregel: jeder Konflikt, der vor Gericht landen kann, hat Potential, über eine Mediation gelöst zu werden. Andere wiederum scheuen den möglichen Aufwand, der mit einer Mediation einhergeht. Dieser ist meistens aber deutlich geringer als bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Denn bei der Mediation sucht man nach einer gemeinsamen Lösung für die Zukunft, und es geht nicht darum, die Schuldfrage mit Hilfe von Beweisen aus der Vergangenheit zu klären.

Bleibt das Ziel die Kontrolle zu behalten. Soll man sich auf etwas einlassen, das man nicht kennt? Ja, denn ein wichtiger Grundsatz der Mediation ist die Freiwilligkeit. Somit steht allen Beteiligten die Teilnahme nicht nur frei, sondern sie können sie auch jederzeit ohne Angabe von Gründen beenden. Erst mit der Abschlussvereinbarung stimmen sie einer Lösung zu. Man hat also viel zu gewinnen, aber nichts zu verlieren.

Gehen die Parteien dagegen vor Gericht, geben sie ihre Entscheidungshoheit auf. Dann sprechen die Anwälte, und ein Richter fällt sein Urteil anhand juristischer Maßstäbe. Diese mögen rechtskonform sein, müssen aber nicht immer dem Bauprojekt dienen.

Die Rohstoffkrise verschärft das Konfliktpotenzial

Termine können nicht eingehalten werden, die steigenden Preise machen geltende Angebote unrentabel und können Anbieter in den Konkurs treiben. Viele Entscheidungen im Bauwesen basieren auf Erfahrungen der Vergangenheit. Die aktuellen Lieferengpässe und Preissteigerungen stellen viele Handwerker und Bauunternehmen vor komplett neue Herausforderungen. Zwar gehörten Verzögerung und Preisschwankungen schon immer zum Geschäft, aber sie waren ungefähr kalkulierbar.

Ein Ausgleich ist heute oft nicht mehr möglich, da der Umfang der Verluste neue Dimensionen annimmt und diesem nicht durch andere Geschäfte oder Mehrarbeit entgegengesteuert werden kann. Häufig entsteht dann eine gefährliche Spirale. Die Anbieter versuchen verzweifelt, einzelne Projekte zu retten und versäumen dadurch, das Gespräch mit den anderen Kunden zu suchen. Diese fühlen sich im Stich gelassen und erhöhen den Druck durch die Einbindung von Anwälten.

Durch Mediation die gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden und eine schnelle Lösung finden

Nach Einbindung der Anwälte sind die Geschäftspartner in der Regel nicht mehr Herr des Verfahrens. Dann zählen vor allem Beweise, rechtliche Argumente oder vertragliche Fristen, die aber nicht einer kooperativen Lösungsfindung dienen. Diese beziehen sich auf Vereinbarungen, die in der Vergangenheit häufig unter ganz anderen Rahmenbedingungen getroffen wurden. Der Rechtstreit beansprucht dann zusätzliche Kapazitäten, Zeit und kostet Geld, wobei beides dringend für die Fortführung des Projekts benötigt wird.

Eine Mediation kann hier die bessere Lösung sind. Dazu müssen sich zunächst alle Konfliktparteien darauf einlassen und dabei gilt es einige Grundsätze zu beachten. Eine Mediation basiert nicht nur auf Freiwilligkeit, sondern der Mediator ist auch zur Neutralität und Verschwiegenheit verpflichtet. Das dient auch dazu, dass alle Informationen offengelegt werden können. Die Lösung entwickeln die Parteien mit Hilfe des Mediators in einem strukturierten Verfahren, und die Lösungsfindung sollte dabei ergebnisoffen erfolgen.

Streit führt häufig zu Stillstand

Gerade in der aktuellen Situation muss man offen für neue Lösungen sein. So hilft es beispielsweise wenig, wenn der Bauherr auf fristgerechte Erfüllung beharrt, der Schreiner aber weder Holz (Lieferengpass) noch Mitarbeiter (Corona) hat. Im Rahmen eines Mediationsprozesses kann hier eine Lösung erarbeitet werden, die zumindest einen Baufortschritt ermöglicht. So ist es vielleicht auch mit eingeschränkter Kapazität möglich, Teilbereiche fertigzustellen, die Voraussetzung für die Arbeit anderer Gewerke sind. Schließlich geht es den meisten Bauherren nicht darum, die Preise zu drücken, sondern den Bau schnell fortzuführen.

Sind Anwälte eingeschaltet, verweigern sich viele Handwerker dem Gespräch, da sie daraus resultierende rechtliche Konsequenzen fürchten und vor allem keine Lösung für das Problem sehen. Ist ihnen der konstruktive Ansatz des Mediationsverfahrens erst einmal bewusst oder haben sie gar Erfahrungen damit, sind sie dagegen bereit, ihre Situation offenzulegen.

Im Extremfall steht die Baustelle bei einem Streit still.  Bild: Lars Stühlen

Der Weg zur Mediation

Im besten Fall einigen sich die Konfliktparteien, gemeinsam eine außergerichtliche Streitbeilegung durch eine Mediation zu versuchen. Schließlich steht der Klageweg dann immer noch offen. Bei der Suche nach einem geeigneten Mediator aus der Region können große Mediationskanzleien helfen. Sie verfügen über ein bundesweites Netzwerk und sind auf Mediation spezialisiert. Dabei rufen die reinen Mediationskanzleien in der Regel geringere Stundensätze als Anwälte auf.

In einem Vorgespräch gibt der Mediator dann eine Abschätzung des Umfangs ab, und es wird eine Mediationsvereinbarung abgeschlossen. Einfache Streitigkeiten lassen sich häufig schon innerhalb eines halben Tages klären. Für komplexere Themen müssen dann schon mehrere Termine vereinbart werden. Nach dem ersten Termin haben sich Erfolgsaussichten und die dafür notwendigen Ressourcen meistens schon deutlich herauskristallisiert.

Es kommt auch vor, dass sich zunächst nur eine Konfliktpartei mit dem Mediator in Verbindung setzt. Auch dann kann besprochen werden, ob eine Mediation sinnvoll ist. Ist das der Fall, entscheidet man gemeinsam, wie die Konfliktpartei eingebunden werden soll. Gerade, wenn die Gesprächsbereitschaft auf einer Seite nicht mehr vorhanden ist, kann der Mediator oftmals noch mal eine Tür öffnen.

Am einfachsten ist es, wenn alternative Konfliktlösungen schon Bestandteil des Bauvertrages sind. In Deutschland kann man sich dazu auf die Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten der ARGE Baurecht im Deutschen Anwaltverein (SOBau) oder die Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau) beziehen. Diese sehen neben der Mediation auch ein Schlichtungs- oder Schiedsverfahren vor.

Fazit

Die Mediation bietet ein ressourcenschonendes Instrument zur Lösung von Konflikten in der Baubranche. Die Barrieren und der Aufwand sind gering, da der Mediator durch das strukturierte Verfahren führt. Die Kosten sind meist geringer als bei einer rechtlichen Auseinandersetzung. Die gemeinsame Lösungsfindung deeskaliert den Streit und ermöglicht häufig, dass weiterhin eine konstruktive Zusammenarbeit möglich ist. Die Mediation ist somit schneller, kostengünstiger und beziehungserhaltend.

Der Autor

Lars Stühlen hat Bauingenieurwesen und der Betriebswirtschaftslehre an der RWTH Aachen studiert. Über 20 Jahre hat er für kleine und große Unternehmen sowie internationale Organisationen kommuniziert, hielt verschiedene Management-Aufgaben inne und begleitete Change-Prozesse. Heute ist er Kommunikationsberater und zertifizierter Mediator mit Sitz in München.

Bild oben: Auf mittleren Baustellen sind häufig schon 500 Personen tätig. Bild: Lars Stühlen

Erfahren Sie hier mehr über die aktualisierte „Streitlösungsordnung für das Bauwesen SL Bau“ .

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