11.05.2022 – Kategorie: Haustechnik/TGA
Energiekonzept: Wie nachhaltig darf es sein?
Viele Schulen in Deutschland bieten kein optimales Raum- und Lernklima. Anders gestaltet es sich beim Neubau der Johann-Pachelbel-Realschule und staatlichen Fachoberschule II in Nürnberg. Das 2017 fertiggestellte Gebäude mit 108 Klassenzimmern wurde als Passivhaus errichtet und mit hochmoderner Haustechnik ausgestattet. Das nachhaltige Energiekonzept beinhaltet die Nutzung von Erdwärme, Eigenstromerzeugung, mechanische Lüftung und eine Gebäudeautomation mit Energiemanagement zur optimalen Regelung und Kontrolle.
Energiekonzept der Zukunft: Viele öffentliche Schulgebäude in Deutschland genügen den heutigen Anforderungen an Energieeffizienz und lernfördernde Raumbedingungen nicht mehr. Sie verbrauchen alters- und bauartbedingt oft überdurchschnittlich viel Energie für Heizung und Strom, was das Leistungsvermögen der Schüler aufgrund von Überwärmung im Sommer sowie einer durch unzureichende Lüftung bedingten zu hohen CO2-Konzentration beeinträchtigt.
Das neue Energiekonzept von den Profis
Bei der 2017 auf dem Gelände Rothenburger Straße 401 fertiggestellten Johann-Pachelbel-Realschule sieht dies ganz anders aus: Der Schulkomplex, dessen Bau vom Nürnberger Stadtrat 2014 in Form einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) beschlossen wurde, setzt neue Maßstäbe in Sachen Energieverbrauch und Lernkomfort.
Das Gebäude wurde durch das Bauunternehmen Georg Reisch GmbH & Co. KG aus Bad Saulgau nach Entwürfen des Stuttgarter Architekturbüros Lederer Ragnarsdóttir Oei (LRO) im Passivhausstandard errichtet, um ein ganzjährig behagliches Innenklima bei minimalem Energieeinsatz zu ermöglichen. Neben der Planungs- und Bauleistung beinhaltet der ÖPP-Vertrag auch den Betrieb des Gebäudes über 25 Jahre. Seit August 2017 ist die SAUTER FM GmbH mit dem Facility Management der Schule beauftragt und stellt den reibungslosen Betrieb sowie ein optimales Energiemanagement sicher.
Sole-Wasser-Wärmepumpe
Der H-förmige Bau mit 21.500 m² Bruttogeschossfläche verfügt über eine vorgehängte, hochwärmegedämmte Ziegelfassade sowie eine umfassende Dachbegrünung und beherbergt insgesamt 108 Klassenzimmer für etwa 1.350 Schüler.
Auch bei der Haustechnik wurde keine Standardlösung verbaut: „Eine energieeffiziente Wärme- und Kälteerzeugung, eine Photovoltaik-anlage, eine kontrollierte Lüftung und eine moderne Gebäudeautomation mit Energiemanagement gehören zum nachhaltigen Energiekonzept“, erläutert Stefan Müller, Objektleiter SAUTER FM. „Als erste kommunale Schule in Süddeutschland erfolgt die Wärme- und Kälteerzeugung durch eine Erdwärmepumpe, die im Heizbetrieb 311 kW und im Kühlbetrieb 254 kW leistet“. Für die Soleanlage wurden 59 Erdsonden bis in 70 Meter Tiefe verlegt – das entspricht knapp 4.200 Bohrmetern. Zur Abdeckung der Spitzenlast verfügt das Schulzentrum zusätzlich über einen Gas-Brennwert-Kessel (314 kW im Heizbetrieb 50/30 Grad Celsius).
In den Klassenzimmern erfolgt die Klimatisierung mit Heiz-/Kühldecken, die durch Einzelraum-Lüftungsgeräte ergänzt wurden. Die Frischluftmenge und Luftqualität werden automatisch entsprechend der Nutzungsintensität angepasst, so dass ein CO2-Grenzwert von 1.000 ppm nicht überschritten wird. Sofern gewünscht, lässt sich die Raumluft durch einen Schalter am Raumbediengerät innerhalb von 15 Minuten komplett austauschen. Die SAUTER-Gebäudeleittechnik überwacht alle Vorgänge und erlaubt eine exakte Auswertung des Raumkomforts für jedes Klassenzimmer. So lässt sich in der Gebäudemanagementsoftware Vision Center etwa der Verlauf der CO2-Konzentration visualisieren und damit überprüfen, ob die Raumluftqualität den Erwartungen entspricht. Auch der Temperaturverlauf in den Zimmern wird angezeigt.
Geringer Primärenergieeinsatz
Die Daten aus dem umfangreichen Energiemanagement der Schule zeigen deutlich, dass der Passiv-hausstandard nicht nur für Wohngebäude ein überzeugendes Konzept darstellt. Die Verbrauchswerte der Schule sind extrem niedrig. So werden für die Beheizung nur 11,5 kWh/m²/a an Endenergie (Gas und Strom) benötigt. Der Gasanteil (Kessel) beträgt hierbei 9,0 kWh/m², der elektrische Verbrauch der Wärmepumpe macht 2,5 kWh/m² aus. Trotz des geringen Stromverbrauchs deckt die Wärmepumpe 60 bis 79 Prozent des Wärmebedarfs im Gebäude ab und zeigt den Mehrwert des Systems. Erfreulich ist auch der Blick auf die CO2-Bilanz des Gebäudes. Die auf dem Dach installierte PV-Anlage lieferte im vergangenen Jahr einen Stromertrag von 54,5 MWh, das entspricht zehn Prozent des gesamten Strombedarfs und ist mehr nötig für den Betrieb der Wärmepumpe.
Der Schulkomplex bietet nicht nur ein hocheffizientes Energiekonzept, sondern durch das optimale Raumklima auch beste Lern- und Lehrbedingungen. Das nährt die Hoffnung, dass die Schule als Leuchtturmprojekt für zukünftige Neubauten und Sanierungen weiterer Schulgebäude dient. Hier liegt noch ungenutztes Potenzial, etwa in Sachen Energieeffizienz, Betriebskosten oder Gesundheit und Lernerfolg der Schüler bundesweit.
Von Astrid Schlesier.
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