25.08.2021 – Kategorie: Projekt- und Kostenmanagement
Digitalisierung im Bauwesen: BIM im Trockenbau
Wie geht es jetzt bloß weiter? Diese Frage stellen sich in diesen Zeiten wohl besonders viele Unternehmen. Die letzten beiden Jahre einfach so beiseiteschieben und weitermachen wie bislang, das gelingt kaum einem. Deshalb ist die Digitalisierung als Schlüsseltechnologie der Zukunft jetzt umso mehr die Herausforderung. Für die Baubranche ist das der Ansatz des Building Information Modelings, kurz BIM.
Die im Jahr 2020 entstandene Fachgruppe BIM Erzgebirge gründete 2021 zusammen mit Land.Leben.4.0 ein BIM-Kompetenzzentrum von Unternehmern für Unternehmer. Kern des regionalen Netzwerks ist es, Firmen bei der konkreten Umsetzung von BIM und der praxisbezogenen Digitalisierung im Bauwesen zu unterstützen. Das Kompetenzzentrum arbeitet eng mit dem openBIM-Netzwerk zusammen, insbesondere mit der buildingSMART-Regionalgruppe Mitteldeutschland.
BIM: Für mehr Digitalisierung im Bauwesen
Weil BIM bereits im Kleinen beginnen kann, ganz individuell je nach Unternehmen, wurde in diesem Zusammenhang die Projektreihe „BIM zum Anfassen“ ins Leben gerufen: Anhand verschiedener Anwendungsbeispiele „von nebenan“ will man zeigen, wie BIM in der Praxis funktioniert. So erhalten die Mitglieder des Netzwerks Informationen, Wissen und konkrete Argumente für potenzielle Auftraggeber.
BIM als Arbeitsmethode ist Teil eines Kulturwandels in der Abwicklung großer und kleiner Bauprojekte. Alle Beteiligten arbeiten hier als Projektteam branchen- und leistungsphasenübergreifend zusammen. Die gemeinschaftliche Verantwortung führt zu besserem Risikomanagement, Qualitätssteigerung, Funktions- und Kostenoptimierung, Verringerung der Projektlaufzeit, verbesserter Rechtsicherheit und zu gemeinschaftlichem Projekterfolg.
Die Praxis zeigt, dass diese Methode nur mit entsprechendem Verständnis und gut ausgebildeten Mitwirkenden zu verwirklichen ist. BIM beginnt im eigenen Unternehmen, bei der BIM-konformen Realisierung eigener Projekte oder bei der Glättung der eigenen Prozesse. Das vorausschauende risiko-, kosten- und zeitminimierende Herangehen mit der BIM-Methode ist ebenso eine grundlegende Komponente der allgemeinen firmeninternen Prozessoptimierung.
Pilotprojekt Wäntig
Dass sich die Anwendung von BIM auch schon bei kleinen Projekten lohnt, bestätigt das BIM-Pilotprojekt bei Trockenbau Wäntig aus dem sächsischen Schneeberg. Zunächst hatte man dort einen Büroumbau traditionell gestartet und bereits die abgehängten Decken entfernt. Dann entschloss sich die Eigentümerin Stefanie Wäntig aber dazu, aus diesem Vorhaben ein BIM-Pilotprojekt zu entwickeln.
Der vorgesehene Arbeitsablauf wurde gestoppt und durch einen BIM-konformen Prozess ersetzt. Ziel war zum einen, die vorhandenen Ressourcen auf BIM-Fähigkeit zu prüfen, aber auch zu zeigen, welche Effekte sich selbst bei einem solch kleinen Bauvorhaben durch den Einsatz der BIM-Methode ergeben.
Bild: Trockenbau Wäntig GmbH
BIM hat aus allgemeiner Datensicht ja das Ziel, eine relevante Information nur einmal einzugeben, beispielsweise zu einem Bauteil „Fenster“. Alle anderen Prozesse greifen dann auf diese Information zu und die Speicherung der Informationen erfolgt für alle BIM-Projektpartner mit Zugang an zentraler Stelle in einem BIM-Projektraum mit einer BIM-Datenbank.
Die zentrale Haltung der BIM-Daten allein reicht jedoch nicht aus. In BIM-Projekten erfolgt die Informationsvernetzung der eingesetzten Soft- und Hardware-Lösungen über standardisierte und immer intelligentere Datenschnittstellen. Dadurch können Unternehmen auch in BIM-Projekten mit ihrer bekannten Software weiterarbeiten.
Daten sind der Kern des Projekts
Im Mittelpunkt des Pilotprojekts bei der Firma Wäntig stand die effiziente Datenerfassung, -verarbeitung und -vernetzung. So ließen sich aufgabenbezogen alle Lebenszyklusphasen des Bauwerks betrachten – von der Bestandsaufnahme der vorhandenen Gebäudesubstanz über die Planung des Umbaus, die Fertigung und Montage bis hin zum Betreiben der umgebauten Büroräume. Dafür wurden die Lösungskomponenten so ausgewählt, dass man eine möglichst verlustfreie Einbindung der eingesetzten Softwarelösungen in das BIM-Pilotprojekt realisieren konnte.
Der Austausch der BIM-Modelle zwischen den unterschiedlichen Softwarelösungen – der CAD-Planungslösung für die Architektur und der CAD-Planungslösung für den Trockenbau – erfolgte über das IFC-Datenformat. Zunächst wurden der vorhandene Gebäudebestand mit dem NavVis-Trolley M6 und dem Z+F-Laserscanner IMAGER 5016 aufgenommen. So konnte man exakte Punkte von der Bestandsoberfläche mit zugehörigen 360-Grad-Panoramabildern oder auch mit erfassten physikalischen Werten (wie etwa die Temperatur) überlagern.
Die 3D-Punktwolken wurden danach im Standardaustauschformat E57 an die Aufbereitung mit Autodesk Recap und den NavVis-IndoorViewer übergeben. Im Ergebnis der Bestandsmodellierung auf Basis der 3D-Punktwolken entstand anschließend der „digitale Zwilling“ der Gebäude, der wiederum die Plattform für die Umbauplanung bildete und via IFC an die CAD-Trockenbaulösung übergeben wurde.
Digitalisierung im Bauwesen: Von der Datenübernahme bis zum fertigen Modell
Die anvisierte Datendurchgängigkeit des BIM-Projekts scheiterte bedauerlicherweise im Zusammenspiel mit der CAD-Trockenbaulösung und einer speziellen kaufmännischen Lösung für den Trockenbau. Die CAD-Trockenbaulösung verfügt bislang über keinen IFC-Export, über den man etwa die Trockenbauplanung ins BIM-Gesamtmodell hätte importieren können. Ebenso gibt es bei der kaufmännischen Lösung noch keine Importfunktion für Massenauszüge im Excelformat, die in der CAD-
Trockenbaulösung abgeleitet werden könnten.
Die zentrale Projektkoordination und -verwaltung sowie Kontrolle der Dokumente inklusive Bauteil-Sachinformationen erfolgte via bcs::system der Dresdner Firma BCS CAD+IT. Diese Anwendung ist exakt auf die Bedürfnisse der Projektpartner einstellbar und arbeitet konform zur DIN SPEC 91391 sowie zum Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und der Datenschutz-Grundverordnung.
Durch die exakte Bestandsaufnahme über 3D-Laserscanner und BIM-Modellierung sowie die verlustfreie Übernahme des BIM-Architektur-Bestandsmodells via IFC in das CAD-Trockenbau-Planungspaket ließ sich die Planungsqualität erhöhen und gleichzeitig die Planungszeit verkürzen. 3D-Punktwolken werden visualisiert und Bauteile analog zum BIM-Modell mit den zugehörigen Sachdaten in bcs::TBW verknüpft.
Fazit BIM-Pilotprojekt
- Die Unternehmerinnen und Unternehmer der Baubranche brauchen entsprechende Grundlagen, um BIM anzuwenden und zu nutzen.
- Es fehlt das Wissen über anwendbares BIM in den Unternehmen.
- Bauherren werden zukünftig die BIM-Methode bewusster einfordern, vor allem die öffentlichen Auftraggeber (2/3 der Bauvorhaben werden darüber realisiert).
- BIM verlangt nach anderen Kommunikationswegen zwischen den beteiligten Unternehmen als bisher.
- Die vorhandene Soft- und Hardware in den Unternehmen unterstützt vielfach bereits BIM-Abläufe, die aus Unkenntnis aber nicht genutzt werden. Bewährt hat sich auch in diesem „spontanen“ BIM-Projekt die Anwendung von OpenBIM für den Datenaustausch zwischen den vorhandenen Softwarelösungen unterschiedlicher Hersteller.
Der Druck auf die Entwickler der bei den KMU eingesetzten Software muss erhöht werden, um standardmäßig den OpenBIM-Transfer zu unterstützen; Anwender müssten stärker fordern. Im Sinne der Digitalisierungsoffensive der Bundesrepublik braucht das Baugewerbe (also die Digitalisierung im Bauwesen) und damit BIM eine Akzeptanz. Weitere Infos: www.bcscad.de⁄allgemein/bim-trockenbau/
Info Pilotprojekt Digitalisierung im Bauwesen: Firmen und Leistungen
- BCS CAD + INFORMATION TECHNOLOGIES GmbH, Dresden (Konzeption, Koordination, Dokumentation und fachliche Begleitung, Bestandsmodellierung auf Basis der 3D-Punktwolken, Bereitstellung des BIM-Bestandsmodells für nachfolgende Prozessschritte (IFC) sowie des BIM-Projektraums bcs::tbw)
- Trockenbau Wäntig GmbH, Schneeberg (Aufgabenstellung des BIM-Pilotprojekts, Analyse und Optimierung der Firmenabläufe für BIM, Bereitstellung der Räumlichkeiten für die Durchführung und Auswertung des Projekts)
- VESATEC GbR Birgit und Mario Hofmann, Speyer (Bestandsaufnahme der Hallen- und Außenbereiche mit dem NavVis Trolley M6, Datenprozessierung zur 3D-Punktwolke in E57, Einrichten und Bereitstellen einer NavVis-IndoorViewer-Instanz für die Visualisierung der 3D-Punktwolke)
- Zoller + Fröhlich GmbH, Wangen im Allgäu (genaue Bestandsaufnahme der Bürobereiche mit Z+F Laserscanner IMAGER 5016, Datenprozessierung zur 3D-Punktwolke in E57, Filmproduktion zum BIM-Pilotprojekt)
Info: BIM Kompetenzzentrum
- regionales Unternehmer-Netzwerk für alle Themen rund um BIM
- Erfahrungsaustausch zwischen Newcomern und Experten: über Unternehmensgrenzen und Tätigkeitsfelder hinweg Beratung, Weiterbildung, Training und Coaching durch BIM-Experten aus Theorie und Praxis
- Kooperation und Zusammenarbeit in gemeinsamen BIM-Projekten
- Unterstützung der Unternehmen bei der BIM-Einführung
- Sensibilisierung der Entscheider in Unternehmen und Behörden
- Positionierung in öffentlichen Diskussionen zu regionalen BIM-Themen
- Fachpartner für Bauherren
- Leiterin und Ansprechpartnerin in allen Belangen: Christina Pfeiffer, Mail: [email protected], Mobil: +49 172 9336680
Von Dr.-Ing. Sylvia Kracht.
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