08.11.2022 – Kategorie: Projekt- und Kostenmanagement
Controlling im Bauwesen: Die revolutionäre Rolle von KI
Ob strengere CO2-Auflagen, höhere Qualitätsstandards oder immer anspruchsvollere Bauvorhaben – viele Faktoren beeinflussen, wie lange und kostenintensiv der Weg bis zum fertigen Objekt wird. Trotz vertraglicher Absicherung kommt es immer wieder zu Zeitverzug oder überschrittenen Budgets. Dem entgegen wirken Investoren und Bauunternehmen mit einer KI-Lösung von TÜV SÜD.
Die Baubranche erwartet 2022 ein gutes Jahr. Denn obwohl die Preise schwanken und es Engpässe bei Materiallieferungen gibt, ist das Volumen der Neubaugenehmigungen im Hochbau 2021 um 7,9 Prozent gestiegen. Der Auftragsbestand verzeichnete zum Jahresende einen Wert von 64,3 Mrd. Euro, was einen nominalen Anstieg von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht [1]. Eine gute Auftragslage fordert die Unternehmen besonders heraus, den Stand paralleler Projekte im Blick zu behalten und sie termingerecht fertigzustellen: Fast dreiviertel aller Vorhaben benötigen deutlich mehr Zeit als geplant. Hinzu kommen Kosten für Nachbesserungen oder das Beheben technischer Mängel, die bis zu 30 Prozent des Gesamtbudgets betragen. Hier ist ein genaues Controlling im Bauwesen gefragt.
Controlling im Bauwesen: Die Rolle von BIM
Investoren und Bauunternehmen realisieren ihre Projekte zeit- und kosteneffizienter, indem sie Building Information Modeling (BIM) oder einen digitalen Zwilling nutzen. Damit das gelingt, müssen diese von Beginn an richtig aufgesetzt und während der Bauphase mit dem Fortschritt und dem Zeitplan kontinuierlich abgeglichen werden. Das erfordert die Zuarbeit aller Projektbeteiligten, was oft nur unzureichend erfolgt. Auch weil enorme Datenmengen zu verarbeiten sind: Genehmigungen, Risikobeurteilungen, Baupläne oder statische Berechnungen. Die meisten BIM-Modelle zeigen nicht den aktuellen Stand auf der Baustelle.
Datenpflege automatisieren
Zur Automatisierung der teilweise aufwändigen Datenpflege haben TÜV SÜD und das britische Bauanalytik-Unternehmen Contilio eine KI-basierte Qualitäts- und Fortschrittskontrolle entwickelt. Sie nutzt 3D-KI-Technologie, mit der sie alle Bauelemente über eine Schnittstelle anhand von stationären Kameras und Drohnen intelligent erfasst. Diese sind mit Laser- bzw. Lidar -Systemen ausgestattet und scannen neben der technischen Gebäudeausrüstung und den Tragwerken auch die Architektur und alle Ausbauelemente. Möglich sind 360-Grad-Aufnahmen in beliebiger Skalierung.
Wo sich stationäre Kameras nur schwer anbringen lassen, kommen Drohnen zum Einsatz. Sie befliegen zum Beispiel die Außenseite eines Gebäudes und registrieren den Zustand der Gebäudehülle. Dort erkennen sie typische Auffälligkeiten wie Korrosion, Beschädigungen oder Abrisse an Fensterelementen – ohne die Notwendigkeit einer gefährlichen und zeitintensiven Fassadeninspektion mit dem Fahrkorb oder am Seil.
Entscheidungsgrundlage bilden
Die Aufnahmen analysiert eine trainierte KI-Software und filtert Auffälligkeiten heraus. Dann trifft sie eine Vorauswahl, die der Anwender abschließend bewertet. Das beschleunigt die Datenauswertung und ermöglicht, Informationen über die Installationsqualität und den Baufortschritt in Echtzeit bereitzustellen. Das Besondere: Sie werden automatisch mit dem BIM-Modell, dem digitalen Zwilling und dem Zeitplan abgeglichen. Gibt es Anzeichen für einen Planungsverzug, kann frühzeitig darauf reagiert werden. Auch bleiben Mängel seltener unerkannt, aus denen Folgefehler entstehen könnten.
Das Herzstück der KI-Lösung bildet ein zentrales Dashboard, das Investoren und Bauunternehmen jederzeit übersichtlich über den Stand aller laufenden Projekte informiert. Ein Bestandteil davon ist ein intelligenter 3D-Viewer, mit dem sich das BIM-Modell, der digitale Zwilling und die 360-Grad-Aufnahmen betrachten lassen. Der cloud-basierte Ansatz ermöglicht den Zugriff auf sämtliche Dokumente, was den fachlichen Austausch erleichtert, Problemlösungen beschleunigt und zum mobilen Arbeiten beiträgt.
Controlling im Bauwesen: Beispiel Singapur-Zentrale
Nach vier Jahren Planungs- und Bauphase hat TÜV SÜD Anfang September 2021 seine neue Zentrale im International Business Park (IBP) fertiggestellt. Neben Büros und Laboren findet auch das Centre of Excellence (CoE) for Digital Services genügend Platz im siebenstöckigen Gebäudekomplex, der eine Fläche von fast 19.000 m² misst. Mit der Errichtung der ASEAN-Zentrale hat sich TÜV SÜD zum Ziel gesetzt, Business Excellence in aufstrebenden Wachstumsbereichen voranzubringen. Außerdem setzt sich das Unternehmen in Asien für mehr Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Sicherheit ein.
Das Know-how wurde über den gesamten Lebenszyklus mit digitalen Technologien kombiniert. Der Einsatz des KI-basierten Baucontrollings half, knapp ein Drittel der typischen Nachbesserungskosten zu vermeiden. Zudem verdoppelte er die Energieeffizienz, und der Bau erfüllte so die Anforderungen des Green Mark Gold Standard der Building and Construction Authority (BCA).
Den digitalen Wandel begrüßen
Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch. In der Bauindustrie hilft das KI-basierte Controlling im Bauwesen von TÜV SÜD Investoren und Bauunternehmen bereits heute, Zeit- und Kostenaufwände zu reduzieren. Das fördert die Bereitschaft, digitale Technologien bei Bauprojekten einzusetzen. Die Digitalisierung der Branche führt aber auch zu einem Wandel im Berufsbild der Mitarbeiter. Zunehmend gefragt sind Kompetenzen im Umgang mit digitalen Werkzeugen.
Der Autor, Marc Grosskopf, Leiter Business Unit Building Lifecycle Services, Abteilung Real Estate & Infrastructure bei der TÜV SÜD AG.
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