26.07.2022 – Kategorie: Bauprojekte
BIM-Mythen: Das ist wirklich dran!
Wie sinnvoll eine Projektplanung mit Building Information Modeling (BIM) und einem Common Data Enviroment (CDE) als Single Source of Truth ist, wird manchmal noch in Frage gestellt. Die Ursache sind verbreitete Mythen, die sich mit einem genaueren Blick aus der Welt schaffen lassen. Ein Infrastrukturprojekt in Brandenburg beweist die Praxistauglichkeit.
Ob ein Konzept wirklich gut ist oder nur ein kurzlebiger Hype, es sich jetzt schon lohnt zu investieren – oder doch lieber zu warten? Diese Fragen stellen sich Unternehmen und Organisationen bei vielen Digitaltrends. BIM zählt zu den Trendthemen, mit denen sich die AECO-Industrie auseinandersetzen muss. Hier lässt sich eine klare Antwort geben: BIM ist gekommen, um zu bleiben. Die Vorteile eines datengetriebenen Planungsansatzes sprechen für sich. Die Kosten sinken, Projekte werden nachhaltiger und lassen sich zuverlässiger planen sowie umsetzen. In der Diskussion stehen jedoch einige Unklarheiten im Raum. Die sechs häufigsten BIM-Mythen sollen hier aufgeklärt werden:
„1. BIM-Mythen – BIM ist nur noch ein Buzzword“
Der mechanische Bagger wird auf heutigen Baustellen nicht einer Gruppe von Arbeitern mit Schaufeln weichen. Das wäre unwirtschaftlich. Auch die Digitalisierung der AECO-Branche wird nicht zurückgefahren. An 3D-Modellen zu planen hat viele Vorteile für Architekten und Ingenieure. Mit BIM lassen sich diese Modelle mit zusätzlichen Informationen wie etwa Abmessungen, Farben oder Materialbeschaffenheit anreichern und die am Projekt beteiligten Partner können ohne Medienbrüche kollaborieren. Dadurch entsteht ein deutlicher Mehrwert, weshalb Unternehmen auch in Zukunft BIM- und CDE-Software einsetzen.
„2. BIM – betrifft nur 3D-Modelle“
Planung und Modellierung an digitalen 3D-Modellen ist ein Teil von Building Information Modeling. Dafür dienen 3D-Modelle als Basis, die man mit Zeit (4D) und Kosten (5D) um zusätzliche Dimensionen erweitern kann. Alle anderen Dokumente für Freigaben, Planung und Projektionen lassen sich in das System einbetten. Wenn ein BIM-Tool an ein CDE angeschlossen ist, kann es mehr als nur Assets visuell darzustellen. Vielmehr geht es darum, den Lebenszyklus und das Informationsmanagement zu einem Asset über Unternehmensgrenzen hinweg zu optimieren.
„3. BIM – nur bei der Planung“
Das 5D-Modell eines Assets ist in der Bauphase eines Projekts wertvoll wie bei der Konzeptionierung. Fortschrittsabgleiche, Materialbedarfs-Kalkulationen und Lieferpläne sorgen dafür, dass von Tag zu Tag sichtbar wird, wo Engpässe auftreten können. So können die Projektbeteiligten frühzeitig reagieren, bevor eine Verzögerung eintritt.
Selbst, wenn das Projekt abgeschlossen und das Asset an den Auftraggeber übergeben wurde, bleiben die Datensätze relevant. Wurden konsequent alle Daten im CDE gesammelt und integriert, hat der Betreiber einen digitalen Zwilling des Projekts. Das Facility Management kann diesen nutzen, um den Energiehaushalt der Immobilie zu verbessern oder die räumliche Ausnutzung anzupassen. Soll das Asset später in irgendeiner Form erweitert werden, können Architekten und Ingenieure bei der Konzeptionierung auf die vorhandenen Modelle zurückgreifen.
„4. BIM – eine Frage der Größe“
Building Information Modeling eignet sich für Unternehmen jeder Größe. KMU und kleinere Bauobjekte können davon ebenso wie die Big Player und Großprojekte profitieren. Das Investment verlagert sich zwar zum Beginn des Projekts, aber durch das Einsparpotenzial des Systems wird der ROI sehr zügig erzielt. Auch, weil es durch die zuverlässigere Planbarkeit zu weniger Verzögerungen und zeit- sowie kostenintensiven Nachbearbeitungen kommt.
„5. BIM-Mythen: Die richtige Software reicht aus“
Sich nur eine bestimmte Software zu holen, ist auch nur ein erster Schritt. BIM geht über die IT hinaus und findet auch außerhalb der Software-Komponenten statt. Die eine Seite besteht aus einer digitalen Infrastruktur mit standardisierten, offenen Schnittstellen, damit Daten von allen Projektpartnern eingebettet werden können. Auf der anderen Seite setzt das kollaborative Arbeiten gewisse Prozesse voraus, die über Softwarefunktionen hinausgehen. Die Projektorganisation, Zielvereinbarungen und Verantwortlichkeiten müssen in die operative und strategische Planung des Unternehmens einbezogen werden, um eine BIM-Arbeitsweise zu etablieren.
„6. BIM – nur für den Hochbau“
Neben dem Hochbau profitieren auch andere Bauprojekte von BIM. Seit 2020 ist in Deutschland der Einsatz von BIM zum Beispiel für öffentliche Infrastrukturprojekte vorgeschrieben. Dabei kann von der Energie- und Wasserversorgung bis zum Straßenbau alles vorkommen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat den Mehrwert von BIM erkannt und setzt in unterschiedlichen Pilotprojekten auf das Potenzial einer besseren Projektkommunikation basierend auf einem strategischen Informationsmanagement.
Praxis: Aufräumen mit BIM-Mythen im Straßenbau
Eines dieser Pilotprojekte, das zeigt, wie sich BIM abseits des Hochbaus einsetzen lässt, ist die Erneuerung des Autobahnabschnitts A 10/A 24 zwischen Neuruppin und Pankow in Brandenburg. Der Auftraggeber DEGES will ein fünfeinhalb Kilometer langes Teilstück komplett mit BIM planen. Eine Single Source of Truth (SSOT) bildet dabei die Plattform, die die Projektdaten für alle Beteiligten zugänglich macht.
Die Verantwortung für die BIM-Prozesse liegt bei der Havelland Autobahn GmbH beziehungsweise der ARGE A 10/A 24 Havellandautobahn. Als IT-Partner entschieden sich die Verantwortlichen für Thinkproject und dessen Software EPLASS CDE und DESITE BIM. An einem Infrastrukturprojekt wie der Autobahnerweiterung sind viele Akteure beteiligt. Im vorliegenden Fall handelt es sich außerdem um ein ÖPP-Projekt. Das heißt: Öffentliche und private Unternehmen arbeiten zusammen. Aufwändige Freigabeverfahren, komplexe Datenmodelle und die große Projektfläche sind Herausforderungen für die Planer. Ein Common Data Environment als Basis für die BIM-Software ist dafür ideal, als gemeinsamer Referenzpunkt für alle Akteure. Auf der Plattform können sie Informationen einsehen und abspeichern, Prozesse steuern sowie Applikationen nutzen, um Modelle auszuwerten. Auch klassische Pläne lassen sich integrieren und nicht alle müssen von Anfang an mit digitalen Modellen arbeiten.
Im ersten Schritt testete das BIM-Management-Team die Anwendungsfälle aus dem BIM-Abwicklungsplan. Da neben der Datenplattform auch die BIM-Software von Thinkproject zum Einsatz kam, wurde sie direkt über das CDE gestartet. In der Mock-up-Phase konnte man Schwachstellen und Diskrepanzen der Pläne identifizieren und die Prozesse anpassen.
Die Kollisionsprüfung unterschiedlicher Abschnitte und die bauteilspezifische Merkmalprüfung liefen ebenfalls reibungslos. Nach dem Projektstart nutzte man die Plattform vorrangig, um nachzuvollziehen wie die Pläne umgesetzt werden. Über 3D-Modelle, Statusupdates und Unterlagen von der Baustelle hatten die Verantwortlichen alles im Blick. Das BIM-Tool wird außerdem zur Termin- und Mengenplanung genutzt. Anhand der erfassten Daten kann das Controlling jetzt auswerten, wie der Baufortschritt verläuft und welche Materialbestellungen dazu noch notwendig sind. So kann sich BIM trotz der BIM-Mythen in der AECO-Branche weiter entwickeln.
Von Patrik Heider.
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