10.02.2021 – Kategorie: Architektur & Bau
BIM-Management im Hafenbau: Der Helgolandkai wird restauriert
Zwischen 1877 und 1886 erbaut, hat der Helgolandkei mit einer nutzbaren Kajenlänge von etwa 100 Metern schon so manche Baumaßnahme gesehen. Seit Anfang 2019 läuft nun eine umfassende Instandsetzung mithilfe von Building Information Modeling, die bis Mitte 2020 abgeschlossen sein soll.
Anders als bei den bisherigen Sanierungsarbeiten, etwa das Vorsetzen einer rückverankerten Spundwand (1953 bis 1957) oder die Installationen einer Korrosionsschutzanlage (1985), einer Entwässerungsanlage (Drainagen und Pumpenschächte) und eines Stahlbetonholms (2004), handelt es sich dieses Mal um einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Hafenbaus, unter Nutzung von BIM-Management.
BIM-Management: Pilotprojekt Hafenbau
Hauptprüfungen am alten Bauwerk ergaben, dass die Kaianlagen nur noch eingeschränkt nutzbar sind. Das soll sich ändern. Deshalb hat Niedersachsen Ports als Eigentümer und Betreiber die Baumaßnahme zu seinem ersten Pilotprojekt für BIM auserkoren. Mit der Objektplanung (LP 1-3 und 6, teilweise LP 5) und der Tragwerksplanung (LP 1-4, 6) wurde WK Consult (WKC) beauftragt. Die Ausführungsplanung und technische Bearbeitung übernahmen Ingenieure aus der BIM-Abteilung von Ludwig Freytag in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbau-Team der Eriksen und Partner GmbH aus Oldenburg. Unterstützt wurden die Planer während Ausschreibung und Bauausführung durch das BIM-Management von albert.ing.
Ein Schritt zurück, zwei vor
Die Instandsetzung des Kais umfasst ein technisch forderndes Maßnahmenbündel: Vor die bestehende Spundwand wird eine neue Wellenspundwand gesetzt, verankert und anschließend hinterfüllt. Der Kajenkopf muss aufgebaut und eine Treppenanlage der Spundwand vorgestellt werden. Darüberhinaus gilt es, Steigleitern, Haltekreuze, Kopfpoller sowie Anlege- und Festmacherdalben zu installieren.
WKC wurde im Juli 2015 von NPorts mit der Planung des Projekts beauftragt. Im März 2017 entschied die Hafengesellschaft in Abstimmung mit den Ingenieuren, die Baumaßnahmen als Projekt mit umfangreichem BIM-Management umzusetzen. Für sie ein ideales Projekt, die Methode an einer komplexen und bestehenden Infrastruktur zu testen. Zudem fiel die Entscheidung für openBIM. Das sollte den Bieterkreis offenhalten und einen möglichst barrierefreien Datenaustausch zwischen allen Projektbeteiligten mit Softwarelösungen unterschiedlicher Hersteller gewährleisten. Da zu diesem Zeitpunkt die konventionelle Planung (LP 3 und 6) nahezu abgeschlossen war, wurden die BIM-Prozesse nachträglich simuliert. Insgesamt ergab sich dabei eine Reihe neuer Aufgaben für die Objektplanung.
Zusammen mit NPorts entwickelte WKC die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), auf deren Grundlage wiederum durch den BIM-Gesamtkoordinator des Auftragnehmers ein BIM-Abwicklungsplan (BAP) erstellt wurde. Die Bestandssituation und Entwurfsplanung wurden als attribuiertes 3D-Modell in Allplan Engineering erstellt, aus dem sich sämtliche 2D-Entwurfspläne ableiten ließen. Das objekt-orientierte 3D-Modell diente darüber hinaus pilotweise der modellbasierten Kommunikation mit NPorts über eine gemeinsame openBim-Plattform (Common Data Environment). Leistungspositionen und Mengenberechnungen wurden im Modell attribuiert und zusätzlich mit einer AVA-Software verknüpft. Ferner lieferte WKC die AIA für die Bauausschreibung und die Integration in die konventionelle Leistungsbeschreibung.
Die BIM-ModellautorInnen von Ludwig Freytag erstellten, ebenfalls mithilfe von Allplan Engineering, auf Grundlage des Entwurfsmodells ein Ausführungsmodell (einschließlich 2D-Planableitung) mit deutlich höherem Detaillierungsgrad (LOD 400 statt LOD 200), das bis zum Übergabemodell (LOD 600) weitergepflegt und vertieft wird.
Ein Kai, 14 Fachmodelle: Eine Herausforderung in Sachen BIM-Management
Die Software von Allplan erwies sich für die Planer als leistungsstarkes und zuverlässiges Werkzeug. Insbesondere die Basisbauteile ließen sich schnell und problemlos modellieren. So konnte man etwa für die Spundwandprofile einfach die DWGs vom Hersteller einlesen und weiterverarbeiten, Leitern nach Angaben aus Musterblättern detailreich nachmodellieren oder den Betonholm nach Planungsvorgaben als 2D-Profil generieren und anschließend über die Bauwerksachse extrudieren.
Insgesamt wurden durch WKC 14 Fachmodelle erstellt – fünf für den Bestand, sechs für den Neubau sowie drei speziell für Abbrucharbeiten. Die sechs Neubaumodelle umfassten: Spundwand/Tiefgründungsarbeiten, Anker, Gurtung/Stahlbauarbeiten, Erdarbeiten, Betonarbeiten und Ausrüstung. Die Unterteilung in die verschiedenen Fachmodelle erfolgte allerdings nicht in der nativen CAD-Software, sondern erst im IFC-Export aus Allplan.
Der Grund für die Splittung in einzelne Fachmodelle bestand darin, dass sich sowohl die visuelle als auch die regelbasierte Modellprüfung einfacher gestaltete und bei Änderungen im Modell nur das jeweilige Fachmodell neu exportiert und ausgetauscht werden musste. Das Handling der IFC-Modelle erwies sich hierdurch als sehr viel intuitiver.
Dies galt auch für verschiedene Prüfsoftware wie den Solibri Model Checker oder die im Projekt implementierte openBIM-Plattform (CDE), auf der die einzelnen Fachmodelle vom Auftragnehmer zu Koordinationsmodellen zusammengefügt und an das BIM-Management auf Auftraggeberseite übergeben wurden. Bei der Mengenberechnung zeigte sich leider der Export ins AVA-Programm problematisch, weshalb man sich dazu entschloss, die Berechnungen ausschließlich direkt in Allplan durchzuführen.
Pragmatisch ausgeführt
Im Zuge der Ausführungsplanung kehrte Ludwig Freytag die Trennung der Teilmodelle – zumindest teilweise – noch einmal um und strukturierte sie neu: Um die Abbruchbauteile den Bestandsbauteilen besser zuordnen zu können, wurden die Bestands- und Abbruchmodelle zusammengefasst. Eine Kernbohrung durch eine Schwergewichtswand macht das deutlich, wenn zunächst die Bohrung als zylindrischer Hilfskörper modelliert wird, der bezüglich Lage im Raum, Durchmesser usw. ihrem späteren Loch entspricht.
Anschließend wird der Schnittkörper von diesem Hilfskörper mit der Schwergewichtswand erstellt und von letzterer abgezogen. Damit ist das Loch in der Wand hergestellt und der Bohrkern als Menge (LV-Position) vorhanden. Bei Änderungen der Kernbohrung lässt sich das Modell somit durch die Änderung des Hilfskörpers gut anpassen und beide Bauteile attribuieren. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur dann einfach nachvollziehbar, wenn Abbruch und Bestand in einem Modell dargestellt werden. Über den Status als Attribut sind die Bauteile filter- und zuordbar.
Des Weiteren machten sich die Ingenieure eine Funktion in Allplan zunutze, die im Wasserbau eigentlich keine Rolle spielt: Sie verwendeten kurzerhand die flexible Geschoss-zuordnung des Programms zur Gliederung des Gesamtmodells in Teilmodelle. Demnach wurden in der Allplan-Bauwerksstruktur der Strukturstufe „Gebäude“ das Gesamtmodell und der Strukturstufe „Geschoss“ die Teilmodelle zugeordnet. Dies ermöglichte gut strukturiertes Arbeiten und einen performanten IFC-Export, da über das Geschoss sämtliche Teilbilder eines Teilmodells letzterem automatisch zugewiesen werden.
BIM-Management führt jetzt schon zum Erfolg
Svea Ohmstede, BIM-Konstrukteurin bei Ludwig Freytag, ist überzeugt: „Mit Allplan lässt sich ein Ingenieur-Wasserbau auch mit Architekturbauteilen einfach und schnell modellieren.“
Insgesamt ist das BIM-Pilotprojekt Helgolandkai schon jetzt als Erfolg anzusehen. Christian Tiedemann, BIM-Modellautor WK Consult: „Dank Allplan konnte man mehrere Pro-blemstellen im Modell erkennen und lösen, die in einer reinen 2D-Planung bei einem Linienbauwerk dieser Art nicht unbedingt aufgefallen wären.“ Insbesondere Kollisionen von Bauteilen – vor allem der Anker, sowohl untereinander als auch zum Bestand – ließen sich erfolgreich vermeiden. Die Mengenberechnung erfolgte eindeutig fehlerfreier und leichter als auf konventionelle, händische Weise.
Von Stefan Kaufmann.
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