03.11.2022 – Kategorie: Projekt- und Kostenmanagement
BIM-Datenaustausch: Wie er in der Praxis gelingt
Das theoretische Versprechen von Building Information Modeling (BIM) ist, konsistent und durchgängig digitale Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg zu nutzen. Um diesen Vorteil der BIM-Methodik zu realisieren, müssen alle Projektbeteiligten in einer kooperativen Zusammenarbeit immer Zugriff auf für sie relevante Planungsunterlagen haben.
Erfolgreicher BIM-Datenaustausch ist in der Praxis nur möglich, wenn man technische, organisatorische, rechtliche, personelle und budgetmäßige Aspekte in einem BIM-Datenaustauschkonzept gleichermaßen berücksichtigt. Grundsätzlich kann dieser Prozess wie folgt beschrieben werden:
• Gebäudemodell erstellen: mit spezifischer proprietärer Software, etwa Autodesk Revit oder Archicad
• Gebäudemodell exportieren (Sender): nativ (closedBIM) oder nicht-nativ (openBIM)
• Gebäudemodell importieren (Empfänger): nativ (closed BIM) oder nicht-nativ (openBIM); für den Import im nativen Format wird die spezifische Software des Senders benötigt; für ein nicht-natives Format ist der Empfänger von der Ursprungssoftware unabhängig; gebräuchlichstes nicht natives Datenaustauschformat ist der IFC-Standard
BIM-Datenaustausch: So funktioniert das Konzept
Im Folgenden wird ausschließlich das openBIM-Datenaustauschkonzept beschrieben. Dabei steht der Datenaustausch zwischen den Fachplanern (Sender), die die Leistungsphasen 1 bis 5 nach HOAI erbringen, und den Baufirmen (Empfänger), die Ausschreibungs-, Vergabe- und Bauüberwachungsleistungen (Leistungsphasen 6 bis 9 nach HOAI) erbringen, im Vordergrund. Also die Schnittstelle zwischen Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) und 6 (Vorbereitung der Vergabe). Die Fokussierung auf ein Datenaustauschkonzept zwischen der Leistungsphase 5 und der Leistungsphase 6 spiegelt das gängige Geschäftsmodell vieler mittelständischer Ingenieurgesellschaften wider, die sich aufs Erbringen der Leistungsphasen 6 bis 9 spezialisiert haben. Es wird empfohlen, das openBIM-Datenaustauschkonzept in die Sachverhalte Technik, Organisation, Personal, Recht und Budget zu untergliedern.
Technikkonzept
Das openBIM-Datenaustauschkonzept kann alternativ auf einer IFC-Schnittstelle basieren, einem BIM-LV-Container oder einer BIM-Cloud. Mit IFC steht ein offenes und standardisiertes Datenformat zur Verfügung, das den Austausch digitaler Gebäudemodelle zwischen proprietären Bausoftware-Systemen ermöglicht. Bild 1 dokumentiert die IFC-Schnittstelle zwischen Sender und Empfänger. Um eine Ausschreibung von Bauleistungen zu ermöglichen, ist das Empfänger-Bauwerksmodell um VOB-gerechte Ausschreibungstexte auf Grundlage des Standardleistungsbuchs für das Bauwesen (STLB-Bau) zu ergänzen.
Der BIM-LV-Container ermöglicht einen Datenaustausch von Bauwerksmodellen und Leistungsverzeichnissen nach DIN SPEC 91350. Bild 2 zeigt die Schnittstelle zwischen Sender und Empfänger, die den BIM-LV-Container beinhaltet.
Ein weiteres Datenaustauschkonzept stellt die BIM-Cloud dar, auf Basis einer BIM-Cloud (Bild 3) gekennzeichnet durch ein zentrales Bauwerksmodell, auf das Fachplaner und Baufirmen lesend und schreibend parallel zugreifen können. Folglich lässt sich das Bauwerksmodell von Fachplanern und Baufirmen direkt bearbeiten und in Echtzeit in beide Richtungen synchronisieren. Somit entfällt das manuelle Aufrufen einer Schnittstellenfunktion und eine doppelte Datenspeicherung lässt sich vermeiden. Wird das zentrale Bauwerksmodell mit dem BIM-LV-Container in der BIM-Cloud verknüpft, lassen sich automatisch Leistungsverzeichnisse und VOB-gerechte Ausschreibungstexte generieren.
Organisationskonzept
Das organisatorische Konzept beinhaltet Akteure, Rollen, Aufgaben und Inhalte des Datenaustauschs. Die Akteure sind auf der einen Seite die Fach-/Objektplaner, die mit den gängigen CAD-Programmen die Fachmodelle erstellen. Die andere Seite wird durch die Ingenieurgesellschaften repräsentiert, deren Geschäftsmodell aufs Erbringen von Leistungen der Leistungsphasen 6 bis 9 basiert.
Der Inhalt des Datenaustauschs wird durch die Definition eines IFC-Schemas zwischen allen am Bau Beteiligten festgelegt. Es trennt streng zwischen semantischer und geometrischer Darstellung der auszutauschenden Daten. Die semantische Darstellung definiert Bauteile, deren Merkmale, Typen und Ausprägungen im Sinne einer objektorientierten Struktur und ergänzt diese Semantik um die erforderliche geometrische Beschreibung.
Personalkonzept beim BIM-Datenaustausch
Die Realisierung eines erfolgreichen Datenaustauschs ist abhängig von der BIM-Kompetenz aller an einem BIM-Bauprojekt beteiligten Akteure. Dabei steht jede Ingenieurgesellschaft zunächst vor der Herausforderung, jeden mit einem potenziellen Bauprojekt involvierten Fachplaner auf seine BIM-Kompetenz zu analysieren und zu bewerten, um anschließend ein individuelles BIM-Datenaustauschkonzept je Fachplaner zu entwickeln und vertraglich mit jedem Fachplaner zu vereinbaren.
Folgende Analyseergebnisse sind aus Sicht einer Ingenieurgesellschaft denkbar:
• Der Fachplaner besitzt keine oder nur rudimentäre BIM-Kompetenz: hier lässt sich die BIM-Methode nicht anwenden und eine BIM-Schnittstelle zunächst auch nicht realisieren.
• Der Fachplaner besitzt BIM-Kompetenz und ist in der Lage, das geometrische Gebäudemodell samt IFC-Bauteilen, -Merkmalen, -Typen und -Ausprägungen zu exportieren.
• Der Fachplaner arbeitet als fortgeschrittener BIM-Anwender mit dem BIM-LV-Container und ermöglicht einen Datenaustausch nach DIN SPEC 91350.
• Der Fachplaner arbeitet als BIM-Experte mit cloudbasiertem System und -Bauwerksmodell – im Idealfall nach DIN SPEC 93150.
BIM-Qualifikation notwendig
Je nach Analyseergebnis benötigt jede Ingenieurgesellschaft eine entsprechende BIM-Kompetenz, die dem Fachplaner entspricht. Ist die eigene BIM-Kompetenz „größer gleich“ der des Fachplaners, lässt sich ein Konzept für den BIM-Datenaustausch ohne Geschäftsrisiko für die Ingenieurgesellschaft vereinbaren. Ist dagegen die eigene BIM-Kompetenz „kleiner“ als die BIM-Kompetenz des Fachplaners, ist der Abschluss eines Datenaustauschkonzepts zunächst nicht anzuraten.
Der vertragliche Abschluss eines Datenaustauschkonzepts wirft eine Vielzahl von rechtlichen Fragestellungen auf. Es sind etwa die technische Schnittstelle, das IFC-Datenschema, Datenlieferzeitpunkte, Nutzungsrechte der Daten sowie Haftung bei fehlerhaften Daten zu regeln. Letztlich ist der Abschluss einer Auftragsgeber-Informationsanforderung (AIA) zu empfehlen – insbesondere zur Regelung der technischen und organisatorischen Vorgaben eines Datenaustauschs.
Budgetmäßige Auswirkung
Die praktische Umsetzung eines Datenaustauschkonzepts erfordert – je nach Umfang – unterschiedliche finanzielle Ressourcen. Diese sind zu planen und mit den finanziellen Möglichkeiten der am BIM-Bauprojekt Beteiligten abzugleichen. Letztlich hat sich ein „Little BIM“-Ansatz in der Praxis bewährt, der den Datenaustausch zunächst auf eine IFC-Schnittstelle als BIM-Schnittstelle beschränkt und somit nur begrenze organisatorische und rechtliche Regelungen erfordert. Auch hat dieser Ansatz den Vorteil, dass nur begrenzte Investitionen in Hard- und Software sowie in eventuelle Personal-Qualifizierungsmaßnahmen erforderlich sind.
Fazit: Erfolgreicher BIM-Datenaustausch ist in der Praxis also nur möglich, wenn technische, organisatorische, rechtliche, personelle und budgetmäßige Aspekte in das Datenaustauschkonzept einfließen, die den aktuellen BIM-Reifegrad von Fachplanern und Baufirmen berücksichtigen.
Von Julia Lemcke, GKK Ingenieurgesellschaft für Hochbau.
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