21.04.2023 – Kategorie: Projekt- und Kostenmanagement
BIM-basierte Planung: So funktioniert integrale Zusammenarbeit
Die vergangenen zwei Jahre haben vielen Architektur- und Ingenieurbüros, Bauherren, Bauunternehmen sowie den Planungsabteilungen in Städten und Gemeinden einen enormen Digitalisierungsbooster verschafft. Ohne Zweifel machte die Pandemie es buchstäblich über Nacht nötig, dezentral fokussiert und effizient zu arbeiten. Was das für den Arbeitsalltag bedeutet/e, erläutern das Frankenthaler Architekturbüro Torben Wadlinger Architektur und die Wiener Architekten Franz&Sue.
BIM-basierte Planung im Einsatz: Zwei Architekturbüros, die mit digitaler Planung und BIM erfolgreich in der Planungsbranche unterwegs sind und dennoch ganz unterschiedlich arbeiten: Torben Wadlinger und drei Kollegen haben sich auf den Sanierungsbereich spezialisiert. Franz&Sue generiert mit fast 100 Mitarbeitenden nahezu alle Projekte aus Wettbewerbsgewinnen.
BIM-basierte Planung: Eigene Prozesse hinterfragen
Die umfängliche Implementierung digitaler Arbeitsprozesse und Planungsmethoden bedeutet im Vorfeld einen intensiven Prozess der Evaluation, Bewertung und Anpassung der eigenen Arbeitsmethoden. Das vereint alle Planer, die den Schritt zu BIM und einem übergreifenden, offenen Planungsstandard wie openBIM gehen. In Abhängigkeit von Bürogröße und der bereits im Vorfeld vollzogenen Umstellung auf digitale Prozesse, sind wichtige Meilensteine zu definieren, zeitlich zu verorten und vor allem gemeinsam umzusetzen. Die Einführung der modellbasierten Planung mit BIM führt damit zu einer längeren und intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeitsweise – und wie man miteinander im eigenen Büro und mit den externen Partnern kommuniziert und Informationen austauscht.
Torben Wadlinger Architektur
Bei den Frankenthalern zahlte es sich aus, dass der Geschäftsführer selbst den Prozess zu einer effizienten digitalen Arbeitsweise vorantrieb. Torben Wadlinger: „Wir haben von Anfang an unsere Projektarbeit auf einen BIM-Server verlagert. Wir arbeiten mit Archicad und die BIMcloud ist das beste Werkzeug, um den Austausch zwischen internen und eingebundenen externen Planern oder Architekten zu ermöglichen. Über die Nutzerverwaltung können wir Zugriffsrechte zentral vergeben und alle im gleichen Modell arbeiten.“ Während der Coronapandemie, in der man bei Torben Wadlinger von zuhause die Aufträge umsetzen musste, erleichterte das die Zusammenarbeit an den laufenden Projekten enorm: „Für uns war das keine große Umstellung, da wir unser Büro über die letzten zehn Jahre stetig weiter digitalisiert haben und unsere Infrastruktur und Prozesse dahingehend umgebaut wurden. Einen Schub gab hier die BIMCloud, durch die wesentliche Einschränkungen der vorherigen Teamwork-Funktionalität komplett eliminiert waren.“
Büro Franz&Sue
Die Wiener Architekten Franz&Sue befinden sich noch mitten im BIM-Implementierungsprozess, 3D-basiert arbeiten sie aber seit Jahren.
Die vorrangige Ausrichtung als Wettbewerbsbüro macht den Einsatz der modellbasierten BIM-Planung nun aber noch schlüssiger: Sowohl für Visualisierungen, konsistente Ableitungen von notwendigen 2D-Plänen für Wettbewerb, Entwurfs- und Baueingabeplanung, Massen- und Mengenermittlung für exakte Kostenschätzungen oder die frühe Einbindung von Haustechnik und Statik ist BIM hier von großem Nutzen.
Vor gut zwei Jahren stand das Architekturbüro allerdings vor einer ganz anderen Aufgabe: Massive Einschränkungen durch die Pandemie machten dezentrale Arbeit von zuhause unumgänglich. Architekt Dieter Fellner, bei Franz&Sue mit der Implementierung digitaler Arbeitsprozesse betraut, lässt die außergewöhnliche Situation im Frühjahr 2020 Revue passieren: „Es gab so etwas wie ein Corona-Kickoff. Bis dahin hatten wir Homeoffice nicht in Erwägung gezogen, da der direkte Dialog im Team bei der Wettbewerbsbearbeitung enorm wichtig ist. Trotzdem stellten wir in sehr kurzer Zeit unsere komplette IT so um, dass Heimarbeit möglich wurde und unsere rund 60 Mitarbeitenden schnell an ihren Projekten weiterarbeiten konnten.“
Eine weitere Herausforderung war die nahezu Verdoppelung der Mitarbeiter zwischen 2020 und 2022. Die neuen Kollegen wollte man selbstverständlich ins Büro einbinden, damit sie Kommunikationswege und Strukturen kennenlernen. „Wir mussten uns etwas überlegen, da ja nur ein Bruchteil der Belegschaft vor Ort war. Die Neuankömmlinge kamen also die ersten Wochen ins Büro, um unsere Standards zu lernen. Wir vermittelten, an wen sie sich bei Fragen wenden können und wie unsere Abläufe sind. Dann sind auch sie ins Home-office gewechselt, um von dort zu arbeiten.“
Unabhängig von der Größe und den Arbeitsschwerpunkten, schafften es beide Büros schnell und effizient, die eigenen Kommunikationswege und die Zusammenarbeit in den Projektteams umzustellen, zu digitalisieren und die BIM-basierte Planung einzuführen.
Gelebte Kollaboration?
Wie funktioniert aber bis zum heutigen Tag die Zusammenarbeit mit den externen Partnern und Bauherren, Behörden und Institutionen? Gibt es wirklich einen so genannten Digitalisierungsbooster, der die Zusammenarbeit auf allen Ebenen nun einfacher – weil digitaler – werden lässt? Die Antworten auf diese Fragen sind genauso heterogen, wie die eingebundenen Beteiligten selbst. „In jedem Fall hat sich einiges bewegt“, meint Torben Wadlinger. Neben seinem eigenen Architekturbüro ist er gemeinsam mit Florian Kraft von Stefan Forster Architekten, Frankfurt/Main, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Compendium BIM + Kybernetik.
„BIM war in seiner Frühphase sehr theorielastig und verkopft. Florian Kraft und ich erkannten, dass BIM nur dann funktioniert, wenn man das Thema praktisch angeht. In diese Marktlücke hinein haben wir die Compendium GmbH als Gegenpol zu den etablierten und bekannten Mitbewerbern gegründet.“ Mit Erfolg: Im Rahmen der Architektenweiterbildung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz lehren sie seit 2020 entsprechend des bundesweiten Fortbildungsprogramms der Planerkammern die BIM-Methode auf Basis der Richtlinie VDI/BS 2552 Blatt 8 ff.
Hinzu kommen zahlreiche Industriekunden, die den Nutzen digitaler Planungsmethodik immer mehr für sich erkennen. Sie sind der Grundstock einer stetig wachsenden Community, wie Julia Mann, BIM-Managerin und Kursleiterin bei Compendium weiß: „Planende, Architekten, Bauunternehmen, Projektentwickler und Generalübernehmer drängen mehr und mehr darauf, übergreifend, integral und mit BIM zu arbeiten.“
Cloudlösungen für BIM-basierte Planung
Eine integrale Zusammenarbeit im Planungsprozess erfordert, dass alle Beteiligten transparent und mit konsistenten Daten ihre Leistungen erbringen. Die BIMcloud von Graphisoft kann ein Lösungsansatz sein. Ergänzende dezentrale Cloudlösungen oder zentrale, für das Netzwerk der Beteiligten mit dezidierten Zugriffs- und Bearbeitungsrechten versehene Datenserver sind ebenso denkbar wie projektabhängig praktikabel. Entscheidend für das Gelingen ist immer der Wille, eine integrale Zusammenarbeit zu unterstützen.
Nicht alle Fachleute und Ingenieure sind hier gleich weit. Tragwerksplanungsbüros, das stellen Torben Wadlinger, Julia Mann und Dieter Fellner heraus, sind hier bereits weiter als die Kollegen aus dem TGA-Sektor. Torben Wadlinger: „Modellbasiert zu planen ist durch ihre Arbeitsweise bereits vorgegeben. Statische Strukturen müssen ebenso räumlich gedacht werden. Bei der TGA sieht das leider noch nicht so aus – das Interesse, interdisziplinär und integral zu arbeiten, ist hier viel geringer.“
Woher das kommt, lässt sich nur vermuten. Für Torben Wadlinger ist es eine „alte Denkweise“ aus lang gelebten, verknöcherten Prozessen: „Die Haustechnik kam früher erst viel später im Projekt zum Zuge. BIM erfordert es nun, die Gebäudetechnik schon im Entwurf mitzudenken. Das wollen viele etablierte TGA-Planer bisher noch nicht – und ihre verwendete Software kann es oft nicht einmal abbilden.“ Dennoch sieht Julia Mann in ihren Schulungen und den vielen Gesprächen, die sie mit Fachplanern führt, erste Tendenzen für eine positive Veränderung. Sie glaubt, dass sich mit den jungen, frischen TGA-Absolventen das Blatt wendet, da das Interesse bei ihnen kontinuierlich wachse, diesen integralen Planungsansatz auch zu verinnerlichen.
Dieter Fellner von Franz&Sue macht ähnliche Tendenzen in seinem Arbeitsumfeld aus. Letztlich ist nicht jeder gleich tief im integralen Arbeitsprozess verankert. Für ihn sind es vor allem die Potenziale, mit dem Willen zur Digitalisierung einhergehend, die über die letzten Jahre freigesetzt wurden. Interne wie externe Beteiligte erkennen inzwischen den Nutzen neuer, verschlankter Prozesse: „Die Stadt Wien arbeitet mit uns an einem Pilotprojekt, in dem wir unsere Planungen modellbasiert und digital einreichen. Eine BIM-basierte Planung führt hier mittelfristig zu einer größeren Sicherheit bei uns und den eingebundenen Planern. Der hohe Arbeitsaufwand mit diesem konkreten Schulbauprojekt zahlt sich nun aus, weil unsere Ausführungsplanung viel kontrollierbarer wird.
Von Tim Westphal.
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