14.08.2023 – Kategorie: Bauprojekte
BIM auf der Baustelle: Virtuell in die Zukunft
Die wirtschaftlichen Potenziale von BIM im Gebäudebetrieb konsequent und sicher anzuwenden, rückt verstärkt in den Blick der Nutzer. Um BIM in diesen Projekten für die zukünftige Abwicklung zu standardisieren, gilt es, umfassende Erfahrungen mit einzubringen. Eines dieser Projekte vertraute die HOWOGE als Auftraggeberin der pde Integrale Planung GmbH an. PORR Deutschland war als Generalunternehmerin eng in die BIM-Prozesse mit eingebunden.
So gelingt BIM auf der Baustelle: Die städtebauliche Lage des Wohnbauprojekts LIESE („Lichtenberger Riese“) in der Frankfurter Allee 218 – zwischen den Gleisanlagen am Bahnhof Berlin Lichtenberg und der erhöht gelegenen, stark befahrenen Frankfurter Allee – erforderte einen besonderen Entwurf. Dieser sah einen 64 Meter hohen Wohnturm mit 22 Geschossen und rund 400 Wohnungen als Solitär vor, um in Richtung Bahnhof einen eindeutigen und starken Abschluss zu setzen. Die verschiedenen Niveaus zwischen Nord- und Südseite werden im Gebäude durch eine mehrgeschossige, für Co-Working geeignete Gewerbezone geschlossen. Im Außenraum wird der Niveauunterschied ebenfalls architektonisch mitgedacht, sodass hier auch in Richtung Bahnhof städtebaulich ansprechende Flächen entstehen.
BIM auf der Baustelle
Eine hohe Innovationsbereitschaft im Projekt wurde in der Projektorganisation, der Auswahl der Planer und der technischen Umsetzung sichtbar. Grundlage war hier die aktive Entscheidung für eine offene BIM-Struktur (openBIM). So konnten Planer aus verschiedenen Fachrichtungen wie Außenraumplanung, Architektur, Tragwerksplanung und Gebäudetechnik mit unterschiedlichen Softwaresystemen direkt zusammenarbeiten. Diese Flexibilität bei der Wahl der Technologie und Werkzeuge war wichtig für eine effiziente Modellierung in jedem Fachgewerk, da sich vertraute Systeme weiterverwenden ließen. Die Interoperabilität konnte man durch IFC als Projektstandard stark verbessern und einen zuverlässigen Datenaustausch sicherstellen. Die Nachhaltigkeit und Archivierung war durch langfristig interoperable Datenstandards gesichert. Aufbauend auf die Anforderungen an die Modellierung und den Austausch wurde eine Integrationsplattform als zentraler Datenort eingerichtet.
Außer dem Austausch der Arbeitsstände wurden während der Planungsphase Koordinationsmodelle für alle Projektbeteiligten auf der Plattform bereitgestellt. In der Qualitätssicherung ließen sich diese auf Kollisionen zwischen den Gewerken, aber auch in manuellen Modellbegehungen sichten und sämtliche Probleme und Aufgaben über das BIM-Collaboration Format (BCF) austauschen. So konnte man die Kommunikation transparent und klar dokumentieren. Das Ergebnis waren übersichtliche Arbeitsabläufe und eindeutige Prozesse.
Mit dem Start der Bauausführung durch PORR wurde der Nutzen der vorher strukturierten Daten besonders sichtbar, da beim Übergang zwischen den Leistungsphasen in herkömmlicher Arbeitsweise oft ein großer Wissensverlust auftritt. Besonders für die geforderte As-Built-Dokumentation war es wichtig, hier direkt aufbauen zu können und Daten nicht umständlich neu sortieren zu müssen.
Virtuell in die Zukunft
Die koordinierten Fachmodelle aus der Leistungsphase fünf und die offenen Formate waren eine Grundvoraussetzung für den Einsatz der Modelle auf der Baustelle. Zur direkten Nutzung wurden Werkzeuge und Techniken wie Augmented Reality (AR) an die Systeme angebunden. Damit lässt sich die sichtbare Umgebung direkt mit Informationen intuitiv anreichern und dem Nutzer eingängig darstellen. Bei Baubegehungen im Rohbau waren Visualisierungen des geplanten Ausbaus direkt vor Ort möglich und auch die jeweils nächsten Ausführungsschritte in der App leicht darstellbar, um sozusagen virtuell in die Zukunft zu schauen.
Die Kombination von BIM mit AR erlaubte es den Mitarbeitenden auf der Baustelle auf einfache und direkte Art und Weise, Planungsinformationen lagegenau auf Baustellen zu verorten und dadurch einen Soll-Ist-Abgleich zu erstellen. Für diesen hat man im Projekt die Software GAMMA AR eingesetzt. So ließen sich geometrische Abweichungen im Projekt leicht entdecken und objektbezogen aufnehmen.
Diese Vorgehensweise ermöglichte eine Zurückführung dieser Daten ins BIM-Modell, da hier – genau wie auch in der Planungsphase – weiterhin BCF als Austauschformat zum Einsatz kam.
Das vereinfachte die Erstellung der As-Built-Dokumentation enorm, so dass man dadurch etwa die Prüfung und Dokumentation des Rohbaus in rund 20 Minuten pro Etage exakt dokumentieren und nachvollziehbar abschließen konnte.
Die schon zu Beginn des Projekts eingeleiteten Maßnahmen, was, wer und in welcher Form wie zu dokumentieren hat, mit dem Ziel eine belastbare Basis an Bestandsdaten für einen Gebäudebetrieb zu erstellen, waren ein wichtiger Bestandteil, der zum Erfolg der digitalen Umsetzung beigetragen hat. Sämtliche Prozesse sind klar formuliert, gemeinschaftlich beschlossen und auch umgesetzt worden.
Auch die notwendigen Erfordernisse des Auftraggebers/Betreibers ließen sich zeitgerecht berücksichtigen und einarbeiten. Nun gilt es, das Bauwerk in einem effizienten Betrieb digital weiter zu betreiben – die Basis dafür ist bereits gelegt.
Von Clemens Neubauer, Oliver Philips und René Krüger.
Lesen Sie auch: Newforma: Mit mehr Mut zur umfassenden Digitalisierung
Teilen Sie die Meldung „BIM auf der Baustelle: Virtuell in die Zukunft“ mit Ihren Kontakten: