03.11.2022 – Kategorie: Allgemein

7 Trends: Was die Bau- und Immobilienwirtschaft der Zukunft auszeichnet

Bau- und Immobilienwirtschaft: 7 TrendsQuelle: sculpies/stock.adobe.com

Wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit die Bau- und Immobilienwirtschaft der Zukunft prägen – 7 wichtige Trends.

Nachhaltiger und digitaler: Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht vor einschneidenden Veränderungen. Doch wie wird die Zukunft des Bauens und des Gebäudebetriebs aussehen? Siemens Smart Infrastructure hat sieben Trends ausgemacht, die zeigen, wohin die Reise geht.  Von Michael Kiy, Director Innovation Management, Siemens Smart Infrastructure

1. Digitale Gebäudeplanung

Moderne Gebäude entstehen schon heute oft zweimal – einmal am Computer, und erst dann in der physischen Welt. Das Zauberwort, das die Tür in die Zukunft der Gebäudeplanung aufgestoßen hat, heißt BIM – Building Information Modeling (BIM).

Die digitale Planung mit BIM gibt der Bauherrschaft wesentlich mehr Kontrolle über ihr Projekt. Tatsächlich kann sie dank BIM ihr Gebäude nämlich schon während der Planung virtuell «begehen». Möglich macht das ein detailliertes virtuelles Modell des Gebäudes, ein sogenannter digitaler Zwilling. Dieser basiert auf den BIM-Daten.

Das virtuelle Modell erlaubt es der Bauherrschaft, Realisierungsvarianten in 3D zu begutachten und Feedback zu geben. Dabei kann sie auch finanzielle Faktoren berücksichtigen: Im digitalen Zwilling sind die Kosten jeder Planungsmaßnahme hinterlegt. Daher ist immer ersichtlich, wie sich eine bestimmte Änderung auf den Preis auswirkt.

Auf Grundlage der Rückmeldungen der Bauherrschaft und anderer Stakeholder nehmen die Planenden Anpassungen am Projekt vor, die dann erneut begutachtet werden können. Diese Iterationszyklen sind kurz und kostengünstig, weil Algorithmen den Planenden viel Arbeit abnehmen. Reduziert man etwa bei der Planung eines Krankenhauses die Raumgröße, passt ein Algorithmus die Wände im virtuellen Modell aufgrund vordefinierter Kriterien automatisch an. Dasselbe gilt für andere Details, etwa die Anzahl und Position der Brandmelder. Dadurch steigt die Planungssicherheit und -effizienz. Denn am digitalen Zwilling kann gewerke-übergreifend transparent geplant werden. Damit lassen sich Fehler vermeiden, Gewerke optimal aufeinander abstimmen und Kosten jederzeit aktuell ausweisen. Dieser Trend wird sich verstärken und die Gebäudeplanung nicht nur transparenter, sondern auch effizienter und kostengünstiger machen. 

Michael Kiy, Director Innovation Management, Siemens Smart Infrastructure.
Bild: Siemens Smart Infrastructure

2. Kooperation am digitalen Zwilling

Damit die digitale Planung ihre Vorteile in der Bau- und Immobilienwirtschaft ausspielen kann, müssen die verschiedenen am Bau beteiligten Akteure ihre Daten teilen und gemeinsam nutzen. Nur dann lässt sich Transparenz über den gesamten Planungs- und Bauprozess herstellen.

Vorbild für diese Prozesse sind Software-Entwicklungsplattformen wie Github oder Gitlab. Diese ermöglichen, dass mehrere Programmierer gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Die Software verwaltet alle Eingaben, und alle Änderungen sind für alle nachvollziehbar.

So weit ist die Baubranche noch nicht. Viele Beteiligte arbeiten noch mit zweidimensionalen Plänen oder verschieben die BIM-Daten mit großen Anpassungsverlusten in andere Systeme. Die angestrebte Transparenz über den gesamten Planungsprozess ist derzeit noch Zukunftsmusik.

Offen ist zudem, wie sich bei diesem neuen Ansatz Aufwände verrechnen lassen, wenn die Beteiligten ihre Gewerke gemeinsam mit anderen planen. Gefragt sind neue Ansätze. So könnte beispielsweise der Gebäudebesitzer, der bei der Betriebsoptimierung vom digitalen Zwilling profitiert, die Planer, die ihn erstellt haben, für diesen Mehrwert entschädigen.

 3. Digitales Projektmanagement

Wenn der digitale Gebäudezwilling steht, geht es um die Frage, in welchen Schritten das physische Gebäude gebaut wird. Heute wird die Ablaufplanung vom Projektplanenden festgelegt. Sie basiert auf Erfahrung, ist meist ungenau und lässt sich nur schwer anpassen, wenn es in einem Teilschritt zu Verzögerungen kommt.

Die Digitalisierung verspricht für das Projektmanagement einschneidende Verbesserungen. So arbeitet beispielsweise das US-amerikanische Unternehmen Alice Technologies daran, diesen Prozess komplett zu automatisieren. Dabei erlernt der Computer die ideale Abfolge der Projektschritte – und erstellt anhand der BIM-Daten selbstständig Projektpläne. Diese lassen sich blitzschnell aktualisieren, falls irgendwo Verzögerungen auftreten. Damit ist sichergestellt, dass die bestmögliche Abfolge gewählt wird. Bereits heute können laut Firmenangaben mit dieser Lösung bei der Gebäuderealisierung durchschnittlich 11 Prozent der Kosten und 17 Prozent der Zeit eingespart werden.

In Zukunft dürfte das computergestützte Projektmanagement noch weiter verfeinert werden. Das wiederum könnte die Art und Weise verändern, wie Aufträge in Bauprojekten vergeben werden: So ließen sich auch kleine Projektschritte wie etwa die «Installation der Raumbediengeräte wie Thermostate» als Arbeitspakete über eine App zu einem vorgegebenen Preis ausschreiben – ähnlich wie die Firma Uber ihren Fahrern Aufträge anbietet. Damit hätten auch kleine, lokale Installateure die Chance, sich am Bau zu beteiligen. Auch die Qualitätskontrolle könnte durch «Reviews und Feedback» über eine solche App sichergestellt werden.

4. Ressourcenschonend bauen 

Der Bau von Gebäuden ist ressourcenintensiv und alles andere als klimafreundlich. Denn jährlich werden rund 4,4 Milliarden Tonnen Zement produziert – dabei wird in etwa so viel CO2 freigesetzt wie in 700 Kohlekraftwerken.

Um den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden und Infrastrukturen zu verringern, ist ein nachhaltiger Umgang mit Baustoffen entscheidend. Zum einen gilt es, mehr Baumaterial wiederzuverwerten. Ansatzweise ist das bereits heute der Fall. So wird eine bestehende Betonhülle nicht mehr gesprengt und neu gebaut, sondern in die Planung des neuen Gebäudes einbezogen oder als Füllmaterial wiederverwendet. Zum anderen müssen vermehrt alternative Baustoffe wie Holz zum Einsatz kommen, die klimafreundlicher sind.

Auch neue Technologien können zu ressourcenschonenderem Bauen beitragen. So verspricht der 3D-Druck nicht nur effizientere Prozesse, sondern auch eine massive Reduktion des ökologischen Fußabdrucks, weil sich in additiver Fertigung neue Formen drucken lassen, die mit weniger Baumaterial auskommen, ohne Kompromisse bei der Stabilität zu machen.  

5. Roboter auf der Baustelle

Als weiteren Trend lässt sich schon heute der Einsatz von Robotern erkennen: Bereits im Einsatz sind beispielsweise Bohrroboter von Schindler oder Hilti, die nach Datenvorgaben selbstständig Löcher in den Beton bohren. Roboter nutzt man außerdem schon, um aus alternativen Baustoffen komplexe Strukturen zu fertigen.

Erhöhter Kostendruck wird zu mehr industriellem Bauen führen. Mit neuen digitalen Fertigungsmethoden lassen sich Bauteile individuell und «on demand» hergestellen. Weil sich in Zukunft mehr Elemente in die Vorfabrikate integrieren lassen – beispielsweise elektrische Komponenten –, geht es auf der Baustelle der Zukunft vermehrt darum, vorgefertigte Elemente zusammenzufügen.

6. Datenbasierter Gebäudebetrieb

In der Nutzungsphase des Gebäudes wird für Heizen, Kühlen und Warmwasseraufbereitung am meisten Energie benötigt. Ein intelligentes Gebäude der Zukunft verfügt über Sensoren und intelligente Steuerungen, um den Betrieb der gebäudetechnischen Anlagen so effizient wie möglich zu machen. Dabei berücksichtigt es auch das Verhalten und die Bedürfnisse der Gebäudenutzenden: Wo sich beispielsweise niemand aufhält, muss auch nicht man auch nicht heizen. Dabei bezieht das intelligente Gebäude Wetterprognosen und die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie – etwa von der PV-Anlage auf dem Dach – in sein Verhalten mit ein.

Die Daten, die im intelligenten Gebäude erfasst werden, lassen sich durch Algorithmen auswerten, um das Gebäudemanagement zu optimieren: Wenn Abweichungen auftreten, wird der Facility Manager informiert, so dass er entscheiden kann, was zu tun ist. Die Daten werden standardisiert verfügbar sein, und es wird Applikationen geben, welche die Daten verarbeiten und Mehrwerte anbieten, wie etwa Energie-Einsparungen. Diese Applikationen können in einem virtuellen Marktplatz zur Verfügung stehen, und die Kunden können diejenigen auswählen, die ihren Zwecken am besten dienen.

7. Das Auto als Stromspeicher

Im intelligenten Gebäude werden Energiespeicher eine größere Rolle spielen, als sie es heute tun. Das Elektroauto kann dabei eine wichtige Rolle übernehmen. Wenn es tagsüber auf dem Parkplatz am Arbeitsplatz steht, erhält es beispielsweise Solarstrom und wird geladen. Der gespeicherte Strom ist dann abends zu Hause nutzbar. Intelligente Systeme stellen sicher, dass die Batterie noch genügend geladen ist, um am nächsten Tag wieder zur Arbeit fahren zu können. Ist im Kalender ein Termin weiter auswärts vermerkt, stoppt die Entladung früher, damit sich der Ort gut erreichen lässt.

Solche Vernetzungen von Daten der Verbraucher und der Energieerzeugung ermöglichen die optimale Ausnutzung der erneuerbaren Energien und werden für eine nachhaltige Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen. Durch solche Energieoptimierungen werden sich auch neue Geschäftsmodelle ergeben. So könnte man überschüssigen Strom gegen eine Vergütung dem Nachbarn abtreten. Allerdings bestehen für solche Lösungen derzeit noch hohe bürokratische und politische Hürden.

Ausblick: Viele Möglichkeiten für die Modernisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft

Obwohl Technologien und Materialien für eine nachhaltigere und intelligentere Bau- und Immobilienwirtschaft bereits existieren: Der Weg in die Zukunft des Bauens ist reich an Hindernissen. Viele Unternehmen sehen heute noch keinen Anreiz, aktiv Veränderungen voranzutreiben. Regulative Vorgaben und historisch gewachsene Strukturen behindern teilweise den Fortschritt. Und solange der Kostendruck nicht hoch genug ist, wird die Automatisierung des Bausektors nicht vorangehen. Auf Dauer wird das Festhalten am Status Quo jedoch kein taugliches Konzept sein. Der Fortschritt und Digitalisierung setzten sich bekanntlich durch, wie Beispiele aus dem Druckbereich, der Fotografie oder auch der Musikindustrie deutlich gezeigt haben.

Die gute Nachricht ist: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um die Baubranche zu modernisieren. Software-Entwickler, Start-ups und moderne Technologien können und werden noch vieles revolutionieren – wir stehen heute erst am Anfang.

Weitere Informationen: https://new.siemens.com/de/de/unternehmen/themenfelder/smart-infrastructure.html

Erfahren Sie hier mehr darüber, wie Bauingenieure die Stadt der Zukunft modellieren.

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