BIM-Recht: Gemeinsames Verständnis für Kooperation und Kommunikation
Die Digitalisierung birgt die Chance einer neuen Kultur der Zusammenarbeit zwischen Architekten, Planern, Bauunternehmern und Auftraggebern. Um rechtliche Risiken zu minimieren, müssen die Projektverträge Lösungen für fehlende Standards hinsichtlich Kommunikation, Honoraren und Haftung formulieren. Von Ulrich Eix
Die Digitalisierung birgt die Chance einer neuen Kultur der Zusammenarbeit zwischen Architekten, Planern, Bauunternehmern und Auftraggebern. Um rechtliche Risiken zu minimieren, müssen die Projektverträge Lösungen für fehlende Standards hinsichtlich Kommunikation, Honoraren und Haftung formulieren. Von Ulrich Eix
Das neue Flugfeldklinikum bei Stuttgart wird das erste Krankenhaus in der Region und eines der wenigen bundesweit sein, das von Anfang bis Ende nach der Methode des Building Information Modeling (BIM) entworfen und gebaut wird: Sämtliche Arbeiten und Gewerke werden digital geplant, um Zeit und Kosten zu sparen. Auch der spätere Betrieb wird günstiger, weil sich die Abläufe im Krankenhausalltag am virtuellen Modell testen lassen.
Architekten und Planern bietet die neue Methode ebenfalls große Chancen, weil BIM und die Daten, die in den Projekten gewonnen werden, es künftig vereinfachen, Planungsleistungen zu erbringen. Doch das digitale Bauen birgt auch Gefahren. Denn es fehlt bislang an der Standardisierung digitaler Prozesse, die das Verständnis der Projektbeteiligten untereinander hinsichtlich tatsächlichen Arbeitsschritten, Kommunikationswegen und Schnittstellen zwischen Objekt- und Fachplanern erheblich erleichtert. Die Lesart von üblichen BIM-Prozessen ist derzeit noch sehr heterogen.
Bis es zu digitalisierten Prozessen und Methoden Standards gibt, ist es deshalb zwingend erforderlich, projektspezifische Vorgaben und Regeln zu vereinbaren, auch wenn dies aufwendig ist. Als Orientierungshilfe dienen kann die VDI-Richtlinie 2552, deren Blatt 3 „Building Information Modeling – Mengen und Controlling“ im Mai als sogenannter Weißdruck veröffentlicht wurde. Sie ist der bislang am weitesten fortgeschrittene Versuch einer Standardisierung.
Aktuelle Honorarmodelle stoßen an Grenzen
Mindestens genauso wichtig für Planer ist die Frage, wie ihre Leistungen monetär honoriert werden. Zu Problemen führen zwei Aspekte: Werden die Möglichkeiten der BIM-Methode ausgeschöpft, führt dies zu Leistungsprozessen, die weit über das Grundleistungsbild hinausgehen. Häufig handelt es sich um „Besondere Leistungen“ im Sinne der HOAI. Für diese Arbeiten gibt es jedoch in der HOAI keine Anhaltspunkte, wie sie zu vergüten sind.
Der zweite Aspekt betrifft die mittlerweile wohl als anerkannt geltende Erkenntnis, dass ein BIM-Prozess den Aufwand von späteren Leistungsphasen in frühere verschiebt. Insbesondere Teilleistungen der Ausführungsplanung zählen nun zu den konzeptionellen Leistungsphasen 2 und 3. Die HOAI bietet zwar das rechtliche Handwerkszeug, auch das Honorar entsprechend zu verlagern. Aktuell fehlt es allerdings an praktischen Modellen, in welchem Umfang Teilleistungsprozentpunkte verschoben werden sollten. Es bedarf also eines Neu- und Umdenkens aller Beteiligten, um digital geprägte Arbeiten von Architekten und Ingenieuren adäquat zu honorieren.
Fallstricke durch Haftungsrisiken umgehen
Erarbeiten Planer, Architekten und Bauunternehmer gemeinsam ein digitales Gesamtmodell, dessen Mängel nach Fertigstellung des Bauwerks einen Schaden verursachen, verändert die neue Methode das Haftungssystem zwar nicht grundsätzlich: Weiterhin steht jeder an der Planung Beteiligte dafür ein, dass er seine Leistung rechtzeitig und ordnungsgemäß erbringt. Jedoch besteht die Gefahr, dass die Grenzen zwischen den Beiträgen der einzelnen Beteiligten und damit die Grenzen der Haftung verwischen. Dies wiegt angesichts fehlender Standards umso schwerer. Es bedarf also in den Verträgen zunächst einer exakten Abgrenzung der Pflichten aller am BIM-Planungsprozess Beteiligten. Besonderes Augenmerk gilt auch den Terminen, Zielen einzelner Projektabschnitte, Kommunikationswegen, Nachträgen sowie einer ausgewogenen Verteilung projektbezogener Risiken.
Letztere sind infolge der digitalen Kommunikation oft andere als bisher: Beispielsweise ist es bei der ersten Erarbeitung eines BIM-Modells aktuell üblich, mit Bauteilkatalogen als Content zu arbeiten, die den einzelnen Objekten schon Attribute oder Parameter zuordnen. Diese stehen beim ersten Aufbau des Modells in den Leistungsphasen eins bis drei aufgrund der noch oberflächlichen Planungstiefe aber oft noch gar nicht fest. Es wird also ein digitales Gebäudemodell mit Informationen aufgebaut, die teilweise als Platzhalter zu verstehen sind. Die große Frage ist, ob dieses Verständnis bei allen anderen Planungsbeteiligten vorhanden ist. Falls nicht, bauen diese ihre Fachmodelle womöglich auf Informationen auf, die für das konkrete Projekt bestenfalls noch nicht feststehen, schlimmstenfalls falsch sind.
Die Konsequenzen eines solchen Turmbaus zu Babel sind leicht auszumalen: Es wird ein Modell erstellt, das wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, sobald sich die Parameter als nicht belastbar herausstellen. Projektstillstand und eine Wiederholung des Planungsschrittes sind die Folgen. Hinzu kommt die rechtliche Komponente, dass der Planer, der mit falschen oder nicht kenntlich gemachten Platzhaltern gearbeitet hat, für die Konsequenzen verantwortlich gemacht werden kann. Um diese Missverständnisse zu vermeiden, braucht es eine abgestimmte, einheitliche und disziplinierte Kommunikationskultur im Team.
Planer haften für Softwarefehler
Die Fülle an Informationen zu überblicken, die sich in ein digitales Bauwerk integrieren lassen, ist überhaupt eine große Herausforderung in BIM-Projekten. Aufgrund der Komplexität der Daten ist dies nur mit entsprechender Software-Unterstützung beherrschbar. Deshalb wiegt besonders schwer, dass ein Planer für Fehler entsprechender Programme verantwortlich ist, was zu unkalkulierbaren Haftungsrisiken führen kann. Deshalb stellt sich eine der großen Fragen der Digitalisierung auch im Baugewerbe: Bis wann kann der Mensch für sein Handeln juristisch belangt werden? Und ab wann ist der digitale Prozess so komplex, dass jedenfalls eine verschuldensabhängige Haftung ausscheidet?
Schadensersatzansprüche gegenüber einem Planer liegen auch nahe, wenn es infolge eines Cyberangriffs, Virenattacken oder Schadsoftware zu einem Datenverlust kommt und sich das Projekt dadurch verzögert. Gleiches gilt, falls durch schadhafte Software des Planers andere Rechner oder fremde Server infiziert werden. In diesem Fall sind sogar Ansprüche anderer Projektbeteiligter denkbar, die zwar kein direktes Vertragsverhältnis mit dem Verursacher haben, aber durch den Virus einen Schaden erleiden. Regressansprüche gegenüber dem Softwarehersteller oder dem Vertriebsunternehmen, das die Software lizensiert hat, können wegen umfangreichen Haftungsbeschränkungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Herstellers oder Vertriebsunternehmens scheitern. Unter Umständen decken Cyberversicherungen entsprechende Gefahren ab.
Investitionen in Bauteildatenbank sichern
Ein weiteres wichtiges Thema für Planungsbüros ist ein effektiver Know-how-Schutz: Der Content, also die inhaltliche Grundlage digitaler Gebäudemodelle, ist urheberrechtlich nicht geschützt und es gibt zudem kein Eigentum an Daten. Baut sich ein Architekturbüro mit hohen, auch finanziellen Investitionen eine Bauteildatenbank auf, spricht rechtlich betrachtet nicht unbedingt etwas dagegen, dass ein anderes Planungsbüro diese Bauteile in seinen eigenen digitalen Datenbankbestand übernimmt.
Folglich müssen die Verträge sicherstellen, dass Betriebsgeheimnisse auch Geheimnisse bleiben. Über die Zuweisung von Datenhoheit und Zugriffsrechten lässt sich gewährleisten, dass es in den Projekten kein argwöhnisches Beäugen gibt, das echten Austausch und ernst gemeinte Kooperation verhindert.
Der Kulturwandel braucht Zeit und bisher wird bei BIM-Projekten noch viel ausprobiert. Weil die Rechtswissenschaft noch am Anfang der Auseinandersetzung mit der Digitalisierung steht und Standards für die Zusammenarbeit fehlen, liefern bislang passende vertragliche Regelungen und projektspezifische Vorgaben die bestmögliche Lösung. (anm<)
Der Autor, Ulrich Eix, ist Rechtsanwalt bei Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft in Stuttgart. Der Spezialist für Bau- und Architektenrecht, Recht der Projektsteuerung und baubegleitende Rechtsberatung ist Dozent an der Hochschule Technik und Wirtschaft in Karlsruhe sowie der Architekten- und Ingenieurkammer Baden-Württemberg. Eix ist außerdem Mitglied im BIM CLUSTER Baden-Württemberg e.V.
Checkliste
- Klare Regeln für die Verzahnung zwischen Objekt- und Fachplanern wie Kommunikationswege und Schnittstellen.
- Exakte Abgrenzung der Pflichten aller Beteiligten am BIM-Planungsprozess, um die Haftung für projektbezogene Risiken ausgewogen zu verteilen
- Klare Richtlinien in den Pflichtenheften oder im BIM-Abwicklungsplan (BAP) für die Informations- und Detailtiefe des Gebäudemodells, aber auch für die einzelnen Projektabschnitte: Welche Informationen müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Modell hinterlegt sein? Und welche Eigenschaften können seriöserweise schon eingetragen werden
- Effektiven Know-how-Schutz sicherstellen.
- Adäquate Honorare für „Besondere Leistungen“ nach HOAI, also Leistungsprozesse infolge von BIM, die weit über das Grundleistungsbild hinausgehen, sowie die Verschiebung von Aufwand für spätere Leistungsphasen in frühere.
- Cyberversicherung und Berufshaftpflichtversicherung prüfen und gegebenenfalls anpassen.
Bild: Zolnierek/Shutterstock.com
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